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Abgeordnete Zöphel, ohne Widerspruch zu finden: „Prinzipiell bin
ich mit den Ausführungen des Vertreters des Reichsfinanzmini-
steriums nicht einverstanden. Der Reichstag ist Träger der
höchsten Gewalt. Die Regierung muß Ausgaben, die er einge-
stellt hat, leisten, und umgekehrt darf sie keine unbewilligten
machen.“
Volksbegehren und Volksentscheid über Finanzgesetze sind in
den meisten Ländern bald in weiterem, bald in engerem Umfang
untersagt !"!.
101 Vgl. hierüber P. STEnIG, Der Weg der Gesetzgebung nach den neuen
Verf. im Reich und in den deutschen Ländern. Königsberger jur. Diss. 1921
(in Maschinenschrift) S. 164 f., S. 177—179. — Ausdrücklich ausgeschlossen
ist das Volksbegehren über den Staatshaushaltsplan, über Abgabengesetze und
Besoldungsordnungen in den Verfassungen von Bayern ($ 10 Ziff. 2; 8 77
Abs. 1 Ziff. 1 und 4), Braunschweig (Ar. 41), Lippe (Art. 10 Abs. 5), Mecklen-
burg-Schwerin ($ 46), Oldenburg ($ 65 Abs. 2), Preußen (Art. 6 Abs. 3)
und Sachsen (Art. 37).
In der neuen Württembergischen Verfassung heißt es, daß über Ab-
gabengesetze und das Staatshaushaltsgesetz keine Volksabstimmung statt-
findet ($ 43). Daraus ergibt sich, daß’ auch ein Volksbegehren nicht
auf solche Gesetze gerichtet sein kann, da nach $ 44 auf Grund eines
Volksbegehrens eine Volksabstimmung stattfinden muß. Ebenso wird in
Baden durch $ 23 Abs. 3 die Volksabstimmung und somit auch das Volks-
begehren über Finanzgesetze ausgeschlossen. Ueber Steuer- und Abgaben-
gesetze kann in Baden das Staatsministerium nach freiem Ermessen einen
Volksentscheid herbeiführen. Daraus folgt, daß diese Gesetze der Volks-
initiative nicht unterliegen. Denn da — wie oben ausgeführt — ein Volks-
begehren nur dann Sinn hat, wenn das Volk schließlich das Recht hat,
über seine Anträge zu entscheiden, so folgt hieraus, daß in allen Ländern
die Volksinitiative nur insoweit zulässig ist, als sie zu einem Volksent-
scheid führen kann. Aus demselben Grunde ist die Volksinitiative in Bre-
men, Hamburg, Hessen und Thüringen beschränkt.
Auch dem Volksentscheid haben fast alle deutschen Länder Finanz-
gesetze in größerem oder geringerem Maße entzogen. Am schärfsten sind
die Bestimmungen in Hamburg. Dort darf über Besoldungsordnungen und
Abgabengesetze (Art. 58 Abs. 3), über den Haushaltsplan, Nachforderungen,
sowie sonstige Einnahmen und Ausgaben (Art. 63 Abs. 3), ferner über
Kredit- und Garantiegesetze (Art. 64) kein Volksentscheid stattfinden.