S. 101.
Beschließt die oberste Reichsbehörde die Verweisung der Sache vor die Disziplinarkammer, so wir
der Angeschuldigte nach Eingang einer von dem Beamten der Staatsanwaltschaft anzufertigenden Anschuldi-
güngeigen unter abschriftlicher Mittheilung der leyteren zu einer von dem Vorsitzenden der Disziplinar-
ammer zu bestimmenden Sitzung zur mündlichen Verhandlung vorgeladen.
Der Anzeschuldigte kann sich des Beistandes eines Advokaten oder Rechtsanwalts als Vertheidigers
bedienen. Dem Letzteren ist die Einsicht der Voruntersuchungs-Akten zu gestatten.
8. 102.
Die mündliche Verhandlung findet statt, auch wenn der Angeschuldigte nicht erschienen ist. Der
selbe kann sich durch einen Advokaten oder Rechtsanwalt vertreten lassen. Der Dieziplinarkammer steht es
fasch sofern der Angeschuldigte seinen dienstlichen Wohnsitz im Deutschen Reiche hat, jederzeit zu, das per-
önliche Erscheinen des Angeschuldigten unter der Warnung zu verordnen, daß bei seinem Ausbleiben ein
Vertheidiger zu seiner Vertretung nicht werde zugelassen werden.
F. 103.
Die mindliche Verhandlung ist öffentlich. Die Oeffentlichkeit kann aus besonderen Gründen auf
den Antrag des Angeschuldigten, des Beamten der Staatsanwaltschaft oder von Amts wegen durch Beschluß
der Disziplinarkammer ausgeschlossen oder auf bestimmte Personen beschränkt werden. Die Gründe der Aus-
schließung oder Beschränkung der Oeffentlichkeit müssen aus dem Sitzungsprotokoll hervorgehen.
8. 104.
Bei der mündlichen Verhandlung wird der wesentliche Inhalt der Anschuldigungsschrift von dem
Beamten der Staatsanwaltschaft mündlich vorgetragen. Der Angeschuldigte wird vernommen. Gesteht der-
selbe die den Gegenstand der Anschuldigung bildenden Thatsachen ein und walten gegen die Glaubwürdigkeit
guines Gestndnifees leine Bedenken ob, so beschließt die Disziplinarkammer, daßz eine Veweisverhandkng
nicht stattfinde.
Andernfalls giebt ein von dem Vorsitzenden der Disziplinarkammer aus der Zahl der Mitglieder
ernannter Berichterstatter auf Grund der bisherigen Verhandlungen eine Darstellung der Beweisaufnahme,
soweit sie sich auf die in der Anschuldigungsschrift enthaltenen Anschusbigangenunlte eeht.
um Schluß wird der Beamte der Staatsanwaltschaft mit seinem Vor- und Antrage und der An-
geschuldigte mit seiner Vertheidigung gehört. Dem Angeschuldigten steht das letzte Wort zu.
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Wenn die Disziplinarkammer vor oder im Laufe der mündlichen Verhandlung auf den Antrag des
Angeschuldigten oder des Beamten der Staatsanwaltschaft, oder von Amts wegen die hmung von Fe
gen, sei es vor der Disziplinarkammer oder durch einen beauftragten Beamten, oder die Herbeischaffung
anderer Beweismittel für angemessen erachtet, so erläßt sie die erforderliche Verfügung und verlegt nöthigen-
Lalh dier ortsetung der Verhandlung auf einen anderen Tag, welcher dem Angeschuldigten bekannt zu
machen ist.
g. 106.
Die Vernehmung der Zeugen muß auf Antrag des Beamten der Staatsanwaltschaft oder des An-
eschuldigten in der mündlichen ahondlun erfolgen, sofern die Thatsachen erheblich sind, Über welche die
ernehmung stattfinden soll, und die Disziplinarkammer nicht die Ueberzeugung gewonnen hat, daß der An-
trag nur auf Verschleppung der Sache abzielt.
F. 107.
Stehen dem Erscheinen eines Zeugen Krankheit, große Entfernung oder andere unabwendbare Hin-
dernisse entgegen, so ist von der Disziplinarkammer dessen Vernehmung durch einen damit beauftragten Be-
amten unter Beiladung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten anzuordnen.
Als große Entfernung im Sinne dieses Gesetzes 4“ es nicht anzusehen, wenn der Zeuge sich im
Bezirke der entscheidenden Disziplinarkammer aufhält.