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besteht. Wie hier, was bloß kausaler oder teleologischer
Denkprozeß ist, also außerhalb der Welt der sinnlich wahr-
nehmbaren Erscheinung, dennoch in diese hineinprojiziert wird,
so wird dort, was nur Eigenschaft der gedachten (abstrakten)
Rechtsnorm ist, in den realen Tatbestand verlegt, der alle
Qualifikation nur durch die Rechtsordnung erhält ®; wobei
® Feiner unterscheidet (a. a. O. S. 163 ff.), ob Pflichten und Be-
rechtigungen der Untertanen ‚unmittelbar‘ auf dem Gesetze, d. h. der
Rechtsordnung beruhen oder ob „zwischen das Gesetz und den Unter-
tan eine Verfügung der Verwaltungsbehörde eingeschoben ist‘‘, die fest-
stellt, wozu der Untertan verpflichtet oder berechtigt sei. ‚Anspruch
und Pflicht beruhen dann nicht direkt auf dem Gesetz, sondern auf
diesem Verwaltungsakt‘“ (a. a. ©. S. 166). Diese Unterscheidung ver-
dunkelt jedoch insofern das rechtslogische Verhältnis, als Pflicht und
Recht (Anspruch) stets nur auf dem Gesetze d. h. der Rechtsordnung
beruhen; der Verwaltungsakt hat rechtslogisch ebenso nur den Charakter
eines Tatbestandselementes wie irgendeine andere Voraussetzung, an
welche der Rechtssatz Pflicht und Recht einer Person knüpft. Wenn z.B.
die Pflicht des Hausbesitzers zur Reinigung des Trottoirs (Fleiner a. a. O.
S. 163) an die Voraussetzung gebunden ist, daß das Trottoir schmutzig
sei, und die Pflicht des Darlehensschuldners zur Rückerstattung des Dar-
lehens an den Eintritt des Fälligkeitstermines, so sind all diese Be-
dingungen in keinem anderen Sinne Tatbestände (richtiger Ele-
mente eines Tatbestandes), an welche die Rechtsordnung Rechtspflich-
ten knüpft, wie etwa ein Polizeibefehl, wenn die Rechtsordnung einen
solchen zur Voraussetzung einer Gehorsamspflicht der Untertanen macht.
„Direkt“ beruht die Gehorsamspflicht im letzteren Falle ebenso auf dem
Polizeibefehl, wie die Pflicht des Schuldners ‚direkt‘ auf dem Eintritt
des Zahltages oder die des Hausbesitzers auf einem reinigungsbedürf-
tigen Zustand des Trottoirs beruht. ‚‚Indirekt‘‘ aber beruhen in glei-
cher Weise alle diese Pflichten auf der Rechtsordnung. Wichtig ist,
daß Fleiner die Pflichten und Rechte der Untertanen, auch wenn sie
„direkt‘ auf pflicht- und anspruchbegründenden Staatsakten beruhen,
letzten Endes auf das Gesetz, d. h. die Rechtsordnung zurückführt, wo
wenigstens ‚indirekt‘ der Sitz der verpflichtenden und berechtigenden
Autorität zu denken ist. Den pflicht- und anspruchbegründenden Staats-
akten kann dann aber kaum mehr aus dem Titel ihrer rechtserzeugen-
den, „röchtmachenden‘“ Kraft — wie Otto Mayer sagt — ein Mehrwert
zugesprochen werden. Dann sind diese pflicht- und anspruchbegründen- '
den Staatsakte in keiner anderen Weise von der Rechtsordnung zur
Voraussetzung von Rechtswirkungen gemacht wie die einseitigen und
zweiseitigen Rechtsgeschäfte des Privatrechtes.