Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

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Drittes Buch. Die Organisation des Deutschen Reiches. 
dürftigsten wird der Reichstag bedacht — — — — — — !. Nichts wäre 
verkehrter, als in diesem Schema, wie es einmal hier vorliegt, den König 
von Preußen etwa als constitutionellen Monarchen, den Bundesrath als 
dessen Ober-, den Reichstag als dessen Unterhaus aufzufassen. Nur so viel 
wäre von einer solchen Vorstellung richtig, daß, wie diese Dinge einmal in 
dem Entwurfe gestellt sind, die künftige Entwickelung auf jenes Ziel hin 
gelangen kann. 
Ich erachte es für einen großen Vorzug des Entwurfs, daß er, was 
die formelle Stilisirung betreffe, die Competenzen der einzelnen Kräfte nicht 
zu ängstlich, nicht zu detaillirt abgegrenzt, sondern der lebendigen, produc- 
tiven Entwicklung, der Zukunft und dem gemeinsamen Wirken der ver- 
bündeten Kräfte einen breiten Spielraum gestattet. — — — — — — 
Ich sagte vorhin schon, die Krone Preußen erhält bei den nenen 
Einrichtungen den Löwenantheil. Das ist ganz wahr. Sie erhält im 
Wesentlichen die Regierungsgeschäfte, die im Lande vorkommen 
können: Heerwesen und Marine, Posten und Telegraphie, Diplomatie und 
Consularwesen; sie erhält diese Dinge ausschließlich, sie erhält sie — nicht 
überall als Bundesgewalt, fie erhält sie an verschiedenen wichtigen Stellen 
als Krone Preußen — — nicht als Gewalt, als preußische Gewalt über 
den Bund, sondern als preußische Gewalt im Bunde, was, wie mir scheint, 
ein großer Unterschied ist. Sie erhält sie jedenfalls in viel soliderer Aus- 
prägung, in viel schärferer und pofitiverer Umgrenzung, als jemals bei einem 
der früheren deutschen Verfassungsentwürfe, sei es in Frankfurt, sei es in 
Erfurt. — — Die preußische Krone handhabt die Militärgewalt in der 
wuchtigsten, zweifellos selbstständigsten Weise. — — Auch, finde ich, entsteht 
kein Schaden daraus, daß die Verfassung hier suaviter in modo verfährt, 
vorausgesetzt, daß sie fortiter in re wirkt. Ich finde keinen Schaden darin, 
daß in der bescheidensten Weise nur von dem „Bundespräsidenten" die Rede ist. 
Die kleineren deutschen Regierungen haben an der Exe- 
cutive in dem vorliegenden Entwurf nur einen sehr beschei- 
denen Antheil in jenen dem Bundesrathe und dessen Aus- 
schüssen beigelegten Befugnissen, vornehmlich auf dem Ge- 
biete des Zoll= und Handelswesens. Diese Fürsten aber 
finden in dem Entwurf ihre Ausgestaltung auf dem nicht 
minder erheblichen Gebiete der Gesetzgebung. Vergleichen Sie 
die Bestimmungen dieses Entwurfs mit jenem der Frankfurter Reichs- 
verfassung, so habe ich schon vorher darauf aufmerksam gemacht, daß in der 
Frankfurter Reichsverfassung eigentlich gar keine Stätte für das deutsche 
Fürstenthum war. Es war damals wie zwischen zwei auseinander 
fahrenden Barken in's Wasser gefallen. Hier ist die legislative Gewalt des 
Bundes dem Reichstag auf der einen, dem Bundesrath auf der anderen 
Seite zugewiesen; die Majorität beider Versammlungen ist für die Herstellung 
des Bundesgesetzes erforderlich und ausreichend; der Bundesrath ist die 
Versammlung der deutschen Fürsten, die Versammlung der 
Delegirten der deutschen Fürsten. In diesem Bundesrath hat die 
Krone Preußen keine besondere Stelle. Ihr Votum wiegt schwerer als das 
Votum von Reuß oder Sondershausen —; immer aber ist der Inhaber 
der Krone Preußen in diesem Collegium nichts Anderes als 
der erste unter seinen Pairs, und hierin scheint mir der dominirende, 
charakteristische Zug des ganzen Entwurfs gegeben.“ — 
Dr. Waldeck, am gleichen Tage (Sten. Ber. S. 329): 
„Sie bringen keinen Bundesstaat hervor, so lange Sie diesen 
Bundesrath, wie er hier ist, darin lassen. Dieser Bundesrath, was ist er 
denn? Eine Reproduction der deutschen Bundesacte. — — — 
Die Bundesacte war nichts weiter, als die Assecuranz derjenigen 
Souveränetät, welche durch die Auflösung des Deutschen Reiches namentlich 
die kleineren und mittleren — Fürsten errungen haben.
	        
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