Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

5 18. Zuständigkeit des Bundesrathes. 107 
bietet sicherlich keine Stärkung der Macht gegen den Parti- 
kularismus. — — — Ich wende mich zur Betrachtung der Verfassung 
selbst, um zu sehen, welcher Abschluß denn mit dieser Verfassung gegen die 
Vergangenheit gegeben ist, und da erinnere ich Sie an ein Wort des Ab- 
geordneten Lasker, indem er gefragt hat: Wem kommen denn die 
Veränderungen dieser Verfassung eigentlich zu Gute? 
Darauf hat er geantwortet: Direct zu Gute kommen fie eigentlich nur dem 
Bundesrathe; der ist gestärkt und gekräftigt, dessen Befug- 
nisse sind erweitert; ja ihm ist durch besondere Einrich- 
tungen eine besondere Entwicklungs fhigkeit gegeben, und 
man hat ihn somit in die Lage gebracht, selbst immer noch 
weitere Erwerbungen zu machen.“ — 
Diese Verhandlungen wurden bei Berathung der Verträge vom November 1870 
gepflogen, welche der Reichstag nur im Ganzen annehmen oder ablehnen konnte, 
und welche — und mit ihnen die Reichsverfassung — er trotz der gegen sie geäußerten 
Bedenken annahm. 
Nach der heutigen Reichsverfassung nun übt der Bundesrath des 
Deutschen Reiches nachfolgende Befugnisse aus: 
I. Er ist zwar nicht der alleinige Factor der Reichsgesetzgebung. Er ist aber 
das Organ der Gesetzgebung des Deutschen Reiches. 
Artikel 5, Absatz 1 schreibt vor: „Die Reichsgesetzgebung wird ausgeübt durch 
den Bundesrath und den Reichstag“ — — — — 
Artikel 7: „Der Bundesrath beschließt: 
1) über die dem Reichstage zu machenden Vorlagen und die von demselben 
gefaßten Beschlüsse.“ 
Ohne die Zustimmung des Reichstages wird eine Vorlage nicht Gesetz des 
Deutschen Reiches; dasjenige Organ des Reiches, welches einer Vorlage den 
Charakter, die Sanction des Gesetzes aufdrückt, ist aber der Bundesrath. Vor- 
läufige Gesetze oder, wie man fie auch nennt, Nothverordnungen, wie 
solche die Preußische Verfassungsurkunde in Artikel 68 kennt, find der Reichsverfassung 
fremd. Reichsgesetze kommen hiernach nur dadurch zu Stande, daß Bundesrath 
und Reichstag fie beschließen, und der Bundesrath ihnen die staatsrechtliche Sanction 
ertheilt. Hierüber s. weiter unten bei Reichsgesetzgebung. 
II. Der Bundesrath hat nach der Reichsverfassung die voll- 
ziehende Gewalt, soweit diese im Erlasse der allgemeinen Ver- 
ordnungen zur Ausführung der Reichsgesetze oder in der Anord- 
nung gemeinschaftlicher Einrichtungen zur Ausführung der Reichs- 
gesetze besteht — allerdings nur, „sofern nicht durch Reichsgesetz etwas Anderes 
bestimmt ist". 
Der Bundesrath ist hiernach, sofern nicht durch Reichsgesetz Ausnahmen 
vorgesehen find, auch das Verordnungsorgan des Deutschen Reiches. 
Die vom Bundesrathe auf Grund des Artikels 7 der Reichsverfassung erlassenen 
Vorschriften find oder können wenigstens sein Rechtsvorschriften. Unter 
„Einrichtungen" find z. B. die Einsetzung von Reichsbehörden (Rechnungshof, 
Neichshauptkasse) und die Gründung von Reichsinstituten, z. B. der archäologischen 
Institute, zu verstehen. S. hierzu Arndt, Verordnungsrecht, S. 152 ff., und 
Seydel, Comm., S. 142. Ueber das Verordnungsrecht des Bundesrathes s. 
Näheres unten beim „Reichsverordnungsrecht". 
III. Der Bundesrath ist nach Artikel 7, Ziff. 3 regelmäßig auch das oberste 
Gericht im Deutschen Reiche; denn soweit die Entscheidung nicht anderen Organen, 
z. B. dem Reichsgericht, Reichsversicherungsamt, Bundesamt für das Heimathwesen, 
ülbertragen ist, entscheidet der Bundesrath über Auslegung und Anwendung der 
Reichsverfassung und der Reichsgesetze. Der Bundesrath beschließt ferner über die 
Abstellung der Mängel, welche bei der Ausführung der Reichsgesetze oder der Reichs- 
verordnungen oder Reichseinrichtungen hervortreten. Die diesbezügliche Vorschrift 
der Reichsverfassung lautet:
	        
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