8 3. Gründung und Verfassung des Deutschen Bundes. 7
gilt die Wiener Schlußacte vom 8. Juni 18201, anerkannt durch Plenar-
beschluß des Bundestages am 20. Juni 1820.
Der dadurch geschaffene Deutsche Bund umfaßte nach Art. 4 der Bundesacte
die beiden Großmächte Oesterreich und Preußen, indeß nur mit ihrem schon früher
zum Deutschen Reiche gehörigen Länderbestande, ferner die Mittelstaaten, und
zwar die Königreiche Bayern, Württemberg, Sachsen und (das 1814 zum König-
reiche erhobene) Hannover, das Großherzogthum Baden, das Kurfürstenthum Hessen-
Cassel und das Großherzogthum Hessen-Darmstadt; sodann die kleineren
Staaten, nämlich: die Großherzogthümer Luxemburg, beide Mecklenburg, Sachsen-
Weimar und Oldenburg, die Herzogthümer Holstein, Lauenburg, Braunschweig,
Sachsen-Gotha, Sachsen-Coburg, Sachsen-Meiningen, Sachsen-Hildburghausen,
Anhalt-Dessau, Anhalt-Bernburg, Anhalt-Cöthen, die Fürstenthümer: zwei Hohen-
zollern, zwei Schwarzburg, Reuß ä. L. und Reuß j. L., zwei Lippe, Waldeck
und Liechtenstein, die 1817 aufgenommene Landgrasschaft Hessen-Homburg, endlich
die vier freien Städte: Lübeck, Hamburg, Bremen und Frankfurt a. M. In der
Bundesacte waren nur 38 Mitglieder namentlich aufgeführt. Im Ganzen waren
es mit Hessen-Homburg 41 Mitglieder. Mediatisirt wurden oder blieben schon
während des Rheinbundes oder vor dem Deutschen Bunde: Arenberg, beide Salm,
von der Leyen, Isenburg-Birstein, Großherzogthum Berg und das Königreich
Westfalen. Eine Aufnahme neuer Mitglieder (ebenso die Aufnahme nicht zum
Bunde gehöriger Territorien von Oesterreich oder Preußen), ferner die Abtretung
von Bundesgebiet an Nichtverbündete (nicht der Erwerb eines Bundesstaates durch
ein anderes Bundesmitglied) konnte nur mit Zustimmung aller Bundesmitglieder
erfolgen 2:
„Der Deutsche Bund ist ein völkerrechtlicher Verein der deutschen
souveränen Fürsten und freien Städte zur Bewahrung der Unabhängigkeit
und Unverletzlichkeit ihrer im Bunde begriffenen Staaten“ (also nicht für die
außerhalb des Bundes gelegenen Gebiete) „.und zur Erhaltung der inneren und
äußeren Sicherheit Deutschlands .“
„Der Deutsche Bund besteht in seinem Inneren als eine Gemeinschaft selbst-
ständiger, unter sich unabhängiger Staaten mit wechselseitigen Vertragsrechten und
Vertragsobliegenheiten, in seinen äußeren Verhältnissen aber als eine in poli-
tischer Einheit verbundene Gesammtmacht“.“
Vermöge seines dauernden Zweckes und nach eigener Erklärung war der
Deutsche Bund ein unauflöslicher, den willkürlichen Austritt der Mitglieder
ausschließender Verein — keine bloß völkerrechtliche Allianz — kein Einheits-, auch
kein Bundesstaat, sondern nur ein völkerrechtlicher Verein, aber nicht ein bloß
völkerrechtlicher Verein 5, sondern ein Verein mit selbstständigen Rechten und Pflichten,
mit Hoheitsrechten gegenüber seinen Gliedstaaten “.
Der Umfang und die Schranken, welche der Bund seiner Wirksamkeit vor-
gezeichnet hat, sind in der Bundesacte bestimmt, die der Grundvertrag und das erste
Grundgesetz dieses Vereins ist. Indem diese Acte die Zwecke des Bundes ausspricht,
bedingt und begrenzt fie zugleich dessen Befugnisse und Verpflichtungen 7.
Im Unterschiede von der Verfassung des Norddeutschen Bundes und des
Deutschen Reiches fehlte somit dem Deutschen Bunde die Befugnifß, sich selbst seine
Zuständigkeit außer durch neuen Vertrag (also einstimmig) zu erweitern. Am
5. November 1816 erklärte bei der Eröffnung der ersten Sitzung der deutschen
Bundesversammlung der österreichische (Präsidial-) Gesandtes:
1 Sie ist u. A. bei Weil, Quellen und 38 So Art. 1 der Wiener Schlußacte bei
Actenstücke zur deutschen Verfassungsgeschichte, Weil, Quellen und Actenstücke zur deutschen
Berlin 1850, S. 13 ff., abgedruckt. Verfalsungzgeschichte, Berlin 1850, S. 13.
2 Schlußacte Art. 6: „Eine freiwillige Ab- 4 So Art. 8 der Wiener Schlußacte.
tretung auf einem Bundesgebiete haftender 5 Vgl. Zachariä, Bd. 2, S. 696.
Souveränetätsrechte kann ohne solche (von allen s Vgl. auch G. Meyer, Staatsrecht, 4. Aufl.,
Verbündeten gegebene) Zustimmung nur zu S. 100.
Gunsten eines Mitverbündeten geschehen“: f. auch 1 Wiener Schlußacte, Art. 3.
O. Mejer, S. 154. 8 Hiänel, Deutsches Staatsrecht, S. 193.