§ 20. Die Rechte des deutschen Reichstages. 139
1890 in den Entsch. Bd. VIII, S. 390, und Bd. XX, S. 451; s. auch Bierling im
Archiv f. öffentl. Recht, Bd. VII, S. 212 ff.). Hofbeamte find nicht Staatsbeamte, für sie
gilt daher die Vorschrift in Art. 21, Abs. 1 der Reichsverfassung nicht. Beamte von
Privatgesellschaften gehören gleichfalls nicht hierher; vgl. im Uebrigen Arndt,
Komm. zur Reichsverfassung, S. 150, Seydel, in Hirth's Annalen 1880, S. 404,
und Seydel, Comm., S. 196, Laband, Reichsstaatsrecht, I. S. 296, G. Meyer,
Lehrbuch des deutschen Staatsrechts, § 129, Anm. 7.
Aus der Vorschrift in Art. 21, Abs. 1 folgt, daß Beamte, um in den Reichstag
einzutreten, keiner Erlaubniß und keiner Beurlaubung von Seiten ihrer vorgesetzten
Behörden bedürfen 1. Fraglich ist, ob sie, wenn sie in den Reichstag eintreten, die
dadurch verursachten Stellvertretungskosten zu tragen haben. Der Antrag
Gumbrecht im verfassungberathenden Reichstage 1867 (Sten. Ber. 1867, S. 704
und 711), daß sie von den Stellvertretungskosten befreit sein sollten, wurde ab-
gelehnt. Damit blieb die Frage offen, und sollte die Frage nur offen bleiben,
insbesondere nicht nach der negativen Seite entschieden werden. Für Reichsbeamte
bestimmt das Reichsbeamtengesetz vom 31. März 1873 (R.-G.-Bl. 1873, S. 61) in
§ 14, Abs. 2, daß ein Abzug vom Gehalte nicht stattfindet, und daß die Stell-
vertretungskosten der Reichskasse zur Last fallen.
In Preußen nahm das vormalige Obertribunal im Erkenntniß vom
17. März 1865 (Entsch. Bd. LII, S. 320) in Uebereinstimmung mit einem Staats-
ministerialbeschlusse vom 22. September 1868 (Justizministerialbl. 1868, S. 234)
an, daß die in den preußischen Landtag gewählten Abgeordneten die durch ihre
Stellvertretung dem Staate oder den Gemeinden entstehenden Kosten zu tragen
haben (anderer Ansicht v. Rönne, Preuß. Staatsrecht, 4. Aufl., Bd. I, § 59,
G. Meyer, Lehrbuch, § 129, H. Schulze, Lehrbuch des Preuß. Staatsrechts, J,
S. 598, Schwartz, Comm. zur Preuß. Verfassung, S. 233, welcher letztere indeß
bezüglich der mittelbaren Staatsbeamten im Ergebnisse dem Obertribunal zustimmt).
Da die Frage lediglich nach dem Particularrecht zu beantworten ist, so erübrigt
hier ein näheres Eingehen auf dieselbe, zumal sie ihren acuten Charakter ver-
loren hat, nachdem das preußische Staatsministerium am 24. October 1869 be-
schlossen hat, daß die Stellvertretungskosten unmittelbarer Staatsbeamten bis auf
Weiteres auf Staatsfonds zu übernehmen sind; Circularrescript des Ministers des
Innern und der Finanzen vom 21. November 1869 (Ministerialbl. für die gef.
innere Verwaltung 1869, S. 276) und des Justizministers (Justizministerialbl.
1869, S. 234).
Immunität der Reichstagsabgeordneten.
Die Reichsverfassung bestimmt im Artikel 30:
„Kein Mitglied des Reichstages darf zu irgend einer Zeit wegen seiner
Abstimmung oder wegen der in Ausübung seines Berufes gethanen Aeuße-
rungen gerichtlich oder disziplinarisch verfolgt oder sonst außerhalb der
Versammlung zur Verantwortung gezogen werden.“
Diese Vorschrift gewährleistet den Reichstagsmitgliedern die straf= und civil-
gerichtliche, die disciplinarische und sonstige amtliche Unverantwortlichkeit. Er
findet sich in fast allen Constitutionen. In seiner Form weicht er — und mit
Absicht — von der entsprechenden Vorschrift der Preußischen Verfassungsurkunde
ab. Diese schreibt in Artikel 84 vor: „Sie (die Abgeordneten) können für ihre
Abstimmungen in der Kammer niemals, für ihre darin ausgesprochenen Meinungen
nur innerhalb der Kammer auf den Grund der Geschäftsordnung zur Rechenschaft ge-
zogen werden.“ Das Obertribunal nahm in Uebereinstimmung mit einem Kom-
missionsberichte des Abgeordnetenhauses (in den Drucksachen der II. Kammer 1852/53,
Bd. VI, S. 288) durch Plenarbeschluß vom 29. Januar 1866 (Präjudiz Nr. 303,
Justizministerialbl. 1866, S. 58, Entsch. Bd. LV, S. 20“, Oppenhoff's
Rechtsprechung des Obertribunals in Strafsachen, Bd. VII, S. 34, und Golt-
1 Der Urlaub dauert während der die Kommissionen während derselben fort-
tagung fort, vgl. oben S. 139, wie denn auch arbeiten.