142 Drittes Buch. Die Organisation des Deutschen Reiches.
25. Februar und 24. Juni 1892, Entsch. in Straff. Bd. XXII, S. 379 ff. und
Bd. XXIII, S. 184 ff.). Daher gab das Gesetz vom 26. März 1893 (R.-G.-Bl.
1898, S. 133) als ersten Satz in § 69 des Strafgesetzbuchs folgende Vorschrift:
„Die Verjährung ruht während der Zeit, in welcher auf Grund gesetz-
licher Vorschrift die Strafverfolgung nicht begonnen oder nicht fortgesetzt
werden kann.“
Und als letzten (dritten) Satz:
„Ist zur Strafverfolgung ein Antrag oder eine Ermächtigung nach dem
Strafsgesetz erforderlich, so wird der Lauf der Verjährung durch den Mangel
des Antrages oder der Verjährung nicht gehindert.“
Uebrigens kann der Reichstag seine Genehmigung zur Einleitung einer Unter-
suchung auch ohne Antrag eines Dritten aus eigener Initiative ertheilen (Sitzungen
vom 21. und 26. April 1893, Sten. Ber. 1892/93, S. 1945 ff. und S. 20118 ff.).
Administrative Zwangsmaßregeln fallen nicht unter die Vorschrift des Art. 31
(Arndt, Komm., S. 159), auch nicht Fälle, wo eine Ordnungsstrafe festgesetzt
und „auf dem Flecke“ vollstreckt wird (Seydel, Comm., S. 214, Sitzung des
Reichstages vom 21. November 1874, Sten. Ber. 1874, S. 261 ff.). Da schon die
Einleitung einer Untersuchung nur mit Genehmigung des Reichstages zuläsfig ist,
so ist dies erst recht die Verhaftung eines Abgeordneten, außer in den nachstehend
unter 2 beschriebenen Fällen.
2) Es schwebt noch kein Strafverfahren, indeß ist der Abgeordnete bei Aus-
übung einer mit Strafe bedrohten That oder im Laufe des nächstfolgenden Tages
(nach der Ausübung) ergriffen worden. In diesen Fällen ist die Verhaftung eine
definitive; sie bedarf nicht der Genehmigung des Reichstages. Ferner bedarf es,
um die Untersuchung in solchen Fällen (der Ergreifung bei oder am Tage nach der
That) einzuleiten, nicht erst der Genehmigung des Reichstages (Arndt, Komm.,
S. 159, Sonntag, S. 61 ff., Seydel, in Hirth's Annalen 1880, S. 353,
Anm. 2, Seydel, Comm., S. 214). Die entgegengesetzte, u. A. durch v. Rönne,
Preuß. Staatsrecht, 4. Aufl., I, § 72, S. 314 vertretene Ansicht, daß es auch im
Falle der Ergreifung in flagranti der nachfolgenden Genehmigung der Kammer be-
dürfe, kann heute als allgemein aufgegeben bezeichnet werden; s. auch Schwartz,
Comm. zur Preuß. Verf., S. 246 f.
3) Es schwebt bereits ein Strafverfahren, sei es, daß dieses vor Eröffnung der
Sitzungsperiode eingeleitet war, oder daß es wegen Ergreifung auf frischer That
oder am Tage nach der That eingeleitet wurde. In beiden Fällen behält das
Strafverfahren ruhig seinen Fortgang, also auch die Verjährung (Erk. des Reichs-
gerichts vom 15. Februar 1895, Entsch. in Straff., Bd. XXVII, S. 10). Allein
der Reichstag hat das Recht, zu verlangen, daß jedes Strafverfahren gegen ein
Reichstagsmitglied und jede Untersuchungs= oder Civilhaft für die Dauer der
Sitzungsperiode ausgehoben wird (Abs. 3 in Art. 31). Sobald das Verlangen
gestellt ist (nicht vorher), werden das Strafverfahren und die Verjährung gehemmt.
4) Es ist bereits rechtskräftig erkannt, und es handelt sich um die Voll-
streckung der Strafe. Hier findet Art. 31 der Reichsverfassung ebenso wenig wie
sein Vorbild, Art. 84 der Preuß. Versassung, Anwendung. Rechtskräftige Strafen
können also ohne Weiteres auch gegen Reichstagsmitglieder jeder Zeit vollstreckt
werden; auch wird die Vollstreckung selbst auf Verlangen des Reichstages nicht
eingestellt (Arndt, Komm., S. 160, Laband, I, S. 317, Seydel, in Hirth's
Annalen 1880, S. 353, G. Meyer, Staatsrecht, § 105, Arndt, Preuß. Verf.,
S. 143, Schwartz, Comm. zur Preuß. Verf., S. 247, v. Rönne, Preuß.
Staatsrecht, 4. Aufl., Bd. I, § 72, S. 316 f.); vgl. auch den in den Sten. Ber.
des Reichstages 1875/76, Bd. III, Actenstück Nr. 25, S. 87, mitgetheilten Bundes-
rathsbeschluß.
5) Die Verfassung verbietet auch die Verhaftung wegen Schulden. Diese
Vorschrift hat insoweit ihre praktische Bedeutung verloren, als durch § 1 des Ge-
setzes, betreffend die Aufhebung der Schuldhaft vom 29. Mai 1868 (B.-G.-Bl.
1868, S. 237), der Personalarrest als Vollstreckungsmittel in bürgerlichen Rechts-
sachen nicht mehr statthaft ist, soweit dadurch die Zahlung einer Geldsumme oder