Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

144 Drittes Buch. Die Organisation des Deutschen Reiches. 
beziehen.“ ECbenso lautet die Vorschrift in Artikel 29 des Regierungsentwurfs 
(Bezold, Materialien, Bd. I1, S. 135). Der verfassungberathende Reichstag 
nahm am 10. März 1867 an ihrer Statt trotz des Widerspruches der Regierungen 
den Antrag Weber und v. Thünen an, lautend: „Die Mitglieder des Reichs- 
tages erhalten aus der Bundeskasse Reisekosten und Diäten nach Maßgabe des Ge- 
setzes. Bis zum Erlasse dieses Gesetzes stellt das Bundespräsidium die Höhe der- 
selben sest. Ein Verzicht auf Reisekosten und Diäten ist unstatthaft.“ Ein Antrag 
von Meier, hinter als solche einzuschalten „aus öffentlichen Mitteln“, wurde 
durch die Annahme des Antrages von Weber und v. Thünen als erledigt er- 
klärt (vogl. Bezold, Materialien, Bd. II. S. 185—168, Sten. Ber. des ver- 
fassungberathenden Reichstages 1867, S. 469 ff.). Bei der Schlußberathung am 
15. April 1867 bezeichnete der Präsident der Bundeskommissarien, der damalige 
Graf v. Bismarck, die Bewilligung der Diäten als eines der beiden Hindernisse ½ 
für das Zustandekommen der Verfassung (Sten. Ber. S. 695 ff.). Auf den An- 
trag des Abgeordneten v. Arnim wurde darauf am gleichen Tage der Regierungs- 
entwurf (der jetzige Art. 32) wieder hergestellt (Sten. Ber. S. 712 ff.). Das in 
Art. 32 bestehende Verbot ist nicht durch eine Strafbestimmung geschützt. Niemand, 
der Diäten giebt oder annimmt, kann strafgerichtlich zur Verantwortung gezogen 
werden (s. auch Rede Bismarck's am 15. April 1867, Sten. Ber. des nordd. 
Reichstages 1867, S. 7972). Noch weniger kann mit Thudichum, Verfassungs- 
recht des Nordd. Bundes, S. 209, angenommen werden, daß in der Annahme von 
Diäten ein Verzicht auf die Reichstagsmitgliedschaft liege, oder daß der Reichstag 
ein Mitglied wegen der Annahme von Diäten seiner Mitgliedschaft verlustig er- 
klären könne. Gleichwohl bleibt die Annahme von Diäten eine durch die Ver- 
fassung verbotene Handlung. Art. 32 ist jus cogens, das durch Privatabmachungen 
nicht geändert werden kann. Die Annahme von Diäten durch Beamte kann daher 
disciplinarisch geahndet werden (v. Martitz, Betrachtungen über die Verfassung 
des Norddeutschen Bundes, S. 78). Daher find Verträge auf Gewährung oder 
Annahme von Diäten ungültig (Bürgerliches Gesetzbuch §§ 309, 307 und 308), 
und es ist jedem Staate und jeder Commune untersagt, Diäten zu gewähren 
(Laband, I, S. 320). Was auf Grund von Verträgen über Gewährung von 
Diäten geleistet ist, kann von dem Leistenden condicirt werden (Bürgerliches Gesetz- 
buch §§ 817 bis 819). Im Geltungsgebiet des Allgemeinen Preußischen Land- 
rechts kann der Fiskus auf Grund der Vorschrift in § 173, Theil I, Tit. 16, 
Thl. I des Allgemeinen Landrechts das condiciren, was der Vorschrift in Art. 32 
der Verfassung zuwider von irgend Jemandem angenommen worden ist (Erk. des 
Reichsgerichts v. 25. Nov. 1886 in den Entsch. in Civilsachen, Bd. XVI, S. 89 ff.7). 
Eine Ausnahme von der Vorschrift in Art. 32 wurde durch 6 3 des Gesetzes vom 
23. Dezember 1874 (R.-G.-Bl. 1874, S. 194) und § 3 des Gesetzes vom 
1. Februar 1876 (R.-G.-Bl. 1876, S. 15) zu Gunsten der Mitglieder der Justiz- 
kommission gemacht. Ferner wird seit dem Jahre 1874 den Reichstagsmitgliedern 
freie Eisenbahnfahrt für die Dauer der Sitzungsperiode, sowie acht Tage vor dem 
Beginn und acht Tage nach ihrem Schluß, in beliebiger Wagenklasse, sowie freie 
Beförderung ihres Gepäckes bis zur Höhe von 50 Pfund einschließlich auf Staats- 
und Privateisenbahnen (gegen eine Entschädigung dieser aus Reichsmitteln) ge- 
währt; vgl. die Bek. des Reichskanzlers vom 22. December 1873 im Deutschen 
Reichs= und Preuß. Staatsanzeiger 1873, Nr. 309, Sten. Ber. des Reichstages 
1874, S. 61, und das die Kosten dafür bewilligende Ges. v. 18. Februar 1874 
(R.-G.-Bl. 1874, S. 15). Diese Freifahrtkarten und die freie Gepäckbeförderung, 
welche zunächst „nach allen Richtungen“ galten, sind durch Beschluß des Bundesraths 
  
  
1 Das andere betraf die Sicherheit der Bgl. auch Fuchs, Die Diätenproefse in 
Heereseinrichtungen. ç in Preußen, im Archiv f. öffentliches Recht, 
2 „— meines Erachtens steht das darin und Bd. I1, S. 123, und gegen die Ansicht des 
liegt in der gesammten Lage unserer Geseh. Teich-genichte Joel in Hirth's Annalen 1886, 
gebungen daß die Regierungen ohne strafgesetz= S. 613 ff. Mit Geltung des Bürgerlichen Ge- 
iche Unterlage nur denen etwas verbieten können, setzbuchs hört die Condiction des Fiskus auf. 
denen sie überhaupt zu verbieten haben.“ 
  
 
	        
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