Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

166 Biertes Buch. Die Gesetzgebung des Dentschen Reiches. 
Der Gesetzgebung des Deutschen Reiches unterliegen: 2) „die Zoll= und 
Handelsgesetzgebung und die für Zwecke des Reichs zu verwendenden Steuern." 
Nach Art. 35 ist die Zoll= und Handelsgesetzgebung den Bundesstaaten voll- 
ständig entzogen und ausschließlich Reichssache. Das Recht des Reiches, für seine 
Zwecke Steuern einzuführen, erstreckt sich auf indirekte wie direkte Steuern. Das 
Wort „indirekt“ des Entwurfs der Norddeutschen Bundesverfassung ist im ver- 
fassungsberathenden Reichstage gestrichen worden 1. 
Das Landessteuerrecht ist an sich kein Gegenstand der Reichsgesetzgebung. 
Dadurch ist nicht ausgeschlossen, daß solche Eingriffe der Reichsgesetzgebung stattfinden 
dürsen, welche sich auf unzweifelhaft dem Reiche zustehende Besugnisse stützen, ins- 
besondere auf die Herbeiführung und den Schutz des einheitlichen Handels-, Verkehrs- 
und Gewerbegebietes?", auf die Niederlassungs= und Aufenthaltsverhältnisse, wie 
endlich die einheitliche Regelung der Verhältnisse der Reichsbeamten und der 
Militärpersonen. Mit einem einheitlichen Zoll= und Handelsgebiet ist es 
unvereinbar, daß die Bundesstaaten und Gemeinden beliebige Steuern auf Con- 
sumptionsartikel erheben, und deshalb stand ein solches Recht schon im Zollvereine 
ihnen nicht mehr zu. Aus dem gemeinschaftlichen Indigenat in Verbindung mit 
der Niederlassungs-, Aufenthalts= und Gewerbefreiheit ergiebt sich, daß die Bundes- 
staaten und die Gemeinden nicht beliebig Fremde besteuern dürfen, und folgt ohne 
Weiteres die Befugniß des Reiches, die Doppelbesteuerung zu verbieten. Die 
Heranziehung der Militärpersonen zu den Gemeindeabgaben gehörte und gehört zur 
Militärgesetzgebung, die der Reichsbeamten zu diesen Abgaben zur Reichsbeamten= 
gesetzgebung, fie liegen also innerhalb der Reichszuständigkeit?. 
Der Reichsgesetzgebung unterliegen: 3) „die Ordnung des Maaß-, Münz- 
und Gewichtssystems, nebst Feststellung der Grundsäze über Emission von fundirtem 
und unfundirtem Papiergelde.“ 
Unter „Maaßsystem“ und „Gewichtssystem“ find die Vorschriften darüber 
zu verstehen, welche Längen= und Raummaaße und welche Gewichte im öffentlichen 
Verkehr anzuwenden fsind, wie diese Maaße und Gewichte im Einzelnen beschaffen, 
geprüft und controlirt werden u. s. w. Das Münzsystem hat es zu thun mit 
der Frage, was Geld im rechtlichen Sinne ist, d. h. was in Zahlung genommen 
werden muß, besonders aber mit der Frage, wer Münzen prägen lassen darf, aus 
welchem Metall, mit welcher Legirung, für wessen Rechnung und gegen welche 
Gebühr die Prägung zu erfolgen hat. Daß nur das Reich Münzen prägen 
lassen darf oder daß nur Reichsmünzen geprägt werden dürfen, ist nicht vor- 
geschrieben. Unter Papiergeld find nicht bloß solche Schuldurkunden zu verstehen, 
welche Zwangscours haben, also im juristischen Sinne Geld find, sondern nach dem 
gewöhnlichen Sprachgebrauch auch alle unverzinsliche, auf den Inhaber gestellte, 
bei Vorzeigung sofort zahlbare Schuldurkunden des Reiches oder eines Bundes- 
staates. Das Recht des Reichsgesetzgebers, die Grundsätze über die Emission von 
Papiergeld aufzustellen, schließt keineswegs aus, daß das Reich für sich Papiergeld 
ausgeben" darf. Das Recht hierzu hat es nicht nur im Falle eines außerordent- 
lichen Bedürfnisses aus Art. 73, da die Ausgabe von Papiergeld durch das Reich 
die Aufnahme einer Anleihe darstellt, sondern auch deshalb, weil aus dem Rechte 
des Reiches, den Bundesstaaten oder Privaten Schranken für die Ausgabe von 
Papiergeld zu ziehen, nichts für die Ansicht herzuleiten ist, daß das Reich seinerseits 
überhaupt kein Papiergeld ausgeben darf. Es konnte die Emission auch in der 
Weise regeln, daß es nur sich solche gestattete und jedem Dritten eine solche 
untersagte. 
Der Reichsgesetzgebung unterliegen sodann: „4) Die allgemeinen Bestimmungen 
über das Bankwesen.“ Zweifellos durfte das Reich hiernach Vorschriften über die 
  
  
1 Rede Miquel's in den Sten. Ber. S. 114. lich wenn die geschichtliche Entwickelung in Be- 
1 Oben erüch u und die verschiedenen Zoll- en r— wid- erf ein o Zuständigkeit 
vereini zugung v er Reichsgesetzgebung unbedenkli 
auch die Fuhergeb, Ansicht Ses. " Hänel, I, S. 671 ff. Anderer Ansicht 
del- 3, Comm., S. 77 f. u. weiter unten. Nament· Seydel, Comm., S. 85
	        
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