Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

176 Biertes Buch. Die Gesetzgebung des Deutschen Reiches. 
sich nicht nach dem Zeitpunkte des Inkrafttretens, sondern des Erlasses, d. i. der 
Verkündigung des Gesetzes 1. 
Der Gesetzgeber kann, wann, so oft und wie er es für gut hält, einen Dritten 
durch Gesetz ermächtigen, mit Gesetzeswirkung Anordnungen zu treffen, und zwar 
worüber der Gesetzgeber will, auch über Gegenstände, von denen man zu sagen 
pflegt, daß sie an sich und ihrer Natur nach dem Gebiete der Gesetzgebung an- 
gehören Ö. Er kann sogar diese Anordnungen mit Gesetzeskraft ausstatten, d. h. 
vorschreiben, daß sie nur durch Gesetz, nicht durch den Anordnenden geändert 
werden dürfen. Dies ist z. B. geschehen durch § 15 des Wahlgesetzes für den 
Reichstag vom 31. Mai 1869 (B.-G.-Bl. 1869, S. 145) bezüglich des vom 
Bundesrath erlassenen Wahlreglements. Ebenso kann der Gesetzgeber bestimmen, 
daß Theile eines Gesetzes oder selbst ein ganzes Gesetz ganz oder theilweise durch 
einen Dritten aufgehoben oder abgeändert werden können. Der Beispiele hierfür find 
unzählige 3. Es folgt dies daraus, daß der Gesetzgeber an keine Schranken gebunden 
ist. Der Reichsgesetzgeber kann ferner auch Landesgesetze zu Reichsgesetzen erklären. 
Das als Landesgesetz ergangene Handelsgesetzbuch und die Wechselordnung find als 
Gesetze des Norddeutschen Bundes erklärt und eingeführt worden (Gesetz vom 
5. Juni 1869. B.-G.-Bl. 1869, S. 379)0. 
Wann das Gesetz in Kraft treten soll, d. h. befolgt werden muß, hängt vom 
Ermessen des Gesetzgebers ab. Er kann diesen Zeitpunkt selbst bestimmen, er kann 
auch einen Dritten, den Kaiser, oder den Bundesrath ermächtigen, diesen Zeitpunkt 
zu bestimmen. Der Gesetzgeber kann Theile eines Gesetzes, z. B. organisatorische 
zugleich mit ihrer Verkündung, andere später in Kraft setzen. Er kann auch, wenn 
er dies für angemessen erachten sollte, dem Gesetze rückwirkende Kraft beilegen, ins- 
Saenorhn, daß ein Gesetz schon vor seiner Verkündung in Wirksamkeit 
getreten ist. 
Der Reichsgesetzgeber knüpft dagegen, und zwar in allen Fällen, die verbind- 
liche Kraft des Gesetzes an seine Verkündigung von Reichs wegen, welche vermittelst 
eines Reichsgesetzblattes geschieht (Art. 2 der Reichsverfassung). Eine in anderer 
Weise oder überhaupt nicht verkündigte Anordnung hat, auch wenn fie als Reichs- 
gesetz zu Stande gekommen ist, keine verbindliche Kraft. Ist es verkündet, so kann 
es auch für die Zeit gelten, in der es noch nicht verkündigt war, d. h. es kann 
ihm schon vor dem Zeitpunkte der Verkündigung rückwirkende Kraft beigelegt 
werden". Wenngleich die Verkündigung zum Zwecke des Bekanntmachens geschieht, 
so ist es für die verbindliche Kraft eines Reichsgesetzes rechtlich ohne Bedeutung, 
ob es bekannt ist oder nicht. Ein gehörig verkündetes Gesetz gilt selbst für den, 
der die Verkündigung nicht erfahren hat, noch erfahren konnte. Falls das Reichs- 
gesetz keinen anderen Anfangstermin seiner verbindlichen Kraft bestimmt, so beginnt 
die letztere nach der Vorschrift in Art. 2 der Reichsverfassung mit dem vierzehnten 
Tage nach dem Ablauf desjenigen Tages, an welchem das betreffende Stück des 
Reichsgesetzblattes in Berlin ausgegeben worden ist. Diese Vorschrift bezieht sich 
indeß nicht auf Konsulargerichtsbezirke. § 47 des Gesetzes über die Konsular- 
gerichtsbarkeit vom 10. Juli 1879 (R.-G.-Bl. 1879, S. 197) bestimmt: „Neue 
Gesetze erlangen, soweit nicht reichsgesetzlich etwas Anderes bestimmt wird, in den 
Konsulargerichtsbezirken nach Ablauf von vier Monaten, von dem Tage gerechnet, 
an welchem das betreffende Stück des Reichs-Gesetzblatts oder der preußischen 
Gesetzsammlung in Berlin ausgegeben worden ist, verbindliche Kraft.“ 
Ueber die Frage, wann, abgesehen von den Konsulargerichtsbezirken, Reichs- 
gesetze außerhalb des deutschen Reichsgebietes verbindlich werden, bestehen zwei 
Ansichten: die eine, von Laband“ vertretene, geht dahin, daß, wenn nichts 
  
1 Ebenso Laband, 1, S. 549. 88 2, 8. 
Die entgegengesetzte Ansicht v. Rönne's, 4 Dies ist z. B. geschehen bezüglich des 
Reichsstaatsrecht, II, § 64, S. 13, Preußisches Bündnißvertrages mit Bayern, der am 1. Jan. 
Staatsr., 1, § 89 (ol. dagegen Arndt. Ver-1871 in Kraft trat, ferner mit dem Gesetz vom 
ordnungsrecht, S. 16 ff.) kann heute als voll 22. Mai 1893 (R.-G.-Bl. 1893, S. 171), das mit 
ständig ausgegeden bezeichnet werden. dem 1. April 1893 Gesetzeskraft erhielt; siehe 
3 S. drei bei Laband, 1. S. 550; andere bessen Art. 27. 
und viel wichtigere: Gewerbeordnung § 139, 5 I. S. 560 f. 
Iwaliditaksversecherungsgeet v. 22. Juni 1889, 
 
	        
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