182 Biertes Buch. Die Gesetzgebung des Deutschen Reiches.
geglaubt, die bei einer anderen Gelegenheit, bei den Berathungen über Zollwesen!
und Handelsverträge 1, der Krone Preußen dieses Veto beilegt. Ich habe gehört,
daß von einigen Seiten Anstoß genommen wird, daß es heißt: wenn es sich um
Aufrechterhaltung der bestehenden Einrichtungen handele. Man hat gemeint,
statt „Einrichtungen“ zu sagen „Gesetze. Ich glaube aber, daß „Einrichtungen"
stehen bleiben muß. Denn es giebt manche Einrichtungen, sowohl im Militär-
wesen, wie sonst im Staate, die nicht ausdrücklich auf Gesetzen beruhen, sondern
thatsächlich bestehen, auf welche sich aber künftige Gesetze wohl beziehen können;
und ich meine, daß die Krone Preußen nicht in der Lage sei, auch dann ein Veto
einzulegen, wenn es versucht werden sollte, durch die Gesetzgebung Aenderungen an
solchen Einrichtungen zu treffen, welche bisher nicht auf ausdrücklich gesetzlichen.
Bestimmungen beruhen 1."“ Nachdem Fürst Bismarck die Zustimmung zum
Amendement Twesten ausgesprochen hatte (Sten. Ber. S. 901), wurde dieses mit
großer Mehrheit angenommen und dadurch festgestellt, daß die gleichen Rechte, kraft
deren die Krone Preußen in Preußen jede Aenderung des bisherigen Zustandes,
mag dieser auf Gesetzen beruhen oder nicht 2, verhindern konnte, ihr auch zustehen
sollen, wenn versucht werden sollte, im Reiche oder von Reichswegen, durch irgend
ein Reichsgesetz oder auch nur durch das Reichshaushalts-Etatsgesetz" oder sonst den
bisherigen Zustand der militärischen Einrichtungen zu ändern.
Wer hat nun zu entscheiden, ob es sich um eine der in Abs. 2 des Artikels 5
beschriebenen Einrichtungen handelt, ob also Preußen ein Veto hat, der Bundesrath
oder die Krone Preußen? Man könnte versucht sein, zu sagen, der Bundesrath;
indeß müßte man dabei dem Wortlaute der Ziffer 3 im Art. 7 Gewalt anthun;
denn ein Beschluß darüber, ob Preußen ein Veto besitzt oder nicht, läßt sich kaum
als ein Beschluß bezeichnen „über Mängel, welche bei der Ausführung der
Reichsgesetze oder der vorstehend erwähnten Vorschriften oder Einrichtungen hervor-
treten"“. Sodann könnte der Bundesrath einen solchen Beschluß Preußen gegenüber
nicht vollstrecken. Vor Allem aber würde der ganze Zweck der Vorschrift in Frage
gestellt, wenn eine andere Macht als die Krone Preußen und gegen die Krone Preußen
über das Bestehen oder Nichtbestehen des Vetos befinden könnte. Die Krone
Preußen sollte (namentlich in Ansehung des Militärwesens) das gleiche Veto be-
halten, welches ihr in Preußen gegenüber Beschlüssen des Landtages zustand.
Dieses Veto hängt aber nicht ab vom Befinden des Landtages. Ohne die Con-
cession des Vetos hätte Preußen die Gesetzgebung über das Militärwesen dem Reiche
nicht übertragen. Aus allen diesen Gründen ist anzunehmen, daß der Kaiser Gesetze
über Militär-, Zoll- und Steuersachen nicht auszufertigen und zu verkündigen
braucht, gegen welche Preußen sein Veto im Bundesrath erhoben hat, auch wenn
der Bundesrath dieses Veto für nicht zulässig erachtet, bezw. annimmt, daß für ein
solches Veto im gegebenen Falle kein Raum war. So wird der Kaiser ein Staats-
haushaltsetatsgesetz nicht auszufertigen verpflichtet sein, in welchem gegen Preußens
Veto nicht die Mittel zur Erhaltung der bestehenden militärischen Einrichtungen
bewilligt find; desgleichen nicht ein Gesetz, welches zwar nicht ein Militärgesetz ist,
aber militärische Einrichtungen trotz Preußens Willen verändern will, z. B. die
Steuerprivilegien der Militärpersonen.
Es ist selbstverständlich, daß der Bundesrath jeden Gesetzesvorschlag des Reichs-
tages, wie der Reichstag jeden Gesetzesvorschlag des Bundesraths mit Gründen oder
ohne Gründe annehmen oder ablehnen kann. Als eine äußere Rücksichtnahme er-
scheint es, wenn es nach der Geschäftsordnung des Reichstages für unzulässig er-
klärt ist, über Vorlagen des Bundesraths zur Tagesordnung überzugehen. Fraglich
ist, wie lange kann der Bundesrath eine Gesetzesvorlage des Reichstages und wie
1 Vgl. Art. 87 der nordbeutschen Bundes- Lreußen; vgl. hierzu Arndt, Verordnungsrecht,
verfassung und §5 12 in Art. 8 des (allerdings. 70, Anm. 4, S. 127; f. auch Sten. Ber. des
jüngeren) Zollvereinigungsvertrages vom 8. Juli verfasfungsberathenden norddeutschen Reichstages
*Das war wislsac nicht der Fall; es be- * S. weiter unten, ebenso utreffend Sey-
stand über die 1 liche Gültigkeit vieler Ein-del, S. 120, Laband, in Lirth #s Annalen
richtungen im Militärwesen großer Streit in 1873, S. 526.