Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

84. Die Thãtigkeit des Dentschen Bundes u. die Errichtung des dentschen Zollvereins. 18 
pommern, in Sachsen waren die Zölle ganz unbedeutend; für die Mark und Alt- 
pommern bestand zwar ein Einfuhrverbot, doch wurden jeder Zeit Pässe zum 
Eingang gegen eine Abgabe von 8½/8 % des Werthes gewährt. Das Allerwesent- 
lichste aber war, daß Grenzölle und Grenzzollbewachung nicht bestanden, die Abgaben 
nur als Accise in den Städten erhoben wurden, feit der Stein-Hardenberg'schen 
Gesetzgebung aber Manufacturen und Gewerbe auch auf dem Lande betrieben werden 
durften. Nun war durch einen der vielleicht segensreichsten Acte für Deutschland, 
durch die Continentalsperre Napoleon's, die englische Industrie aus Deutschland 
verdrängt und die deutsche gehoben, theilweise ganz neu geschaffen. Im Jahre 1811 
sank die englische Einfuhr auf fast Null, auf nur 120 000 Pfund. Dies änderte sich 
mit dem Wiederaufheben der Continentalsperre i. J. 1813. Die Engländer warfen 
in der ausgesprochenen Absicht, die deutsche Industrie „in ihren Windeln zu er- 
drosseln“ (Worte Lord Brougham's), 1814 und in den folgenden Jahren ihre 
Industrieerzeugnisse auf den ihnen wieder erschlossenen deutschen Markt. Im Jahre 
1814 ging allein für 14 Millionen Thaler Baumwollgarn aus England nach 
Deutschland; die englische Einfuhr nach Deutschland betrug i. J. 1815 9 119000 
Pfund Sterling. Unter diesem Drucke brach die deutsche und die preußische Industrie 
gänzlich zusammen. Die Jahre 1816 und 1817 waren ganz trostlose für Deutsch- 
land. Auf den allgemeinen Sturm der Entrüstung, der namentlich aus dem Westen 
hervorbrach, erfolgte die Zusammenberufung einer Conferenz nach Berlin durch 
König Friedrich Wilhelm III., und wenn auch nicht das dort gewünschte Einfuhr- 
verbot, so wurde doch die Einführung eines Grenzzollsystems und eines Schutz- 
zolles von angeblich 10, in Wirklichkeit von 25—40 %% des Werthes beschlossen und 
durch das preußische Gesetz vom 26. Mai 1818 (G.-S. S. 65) in's Leben gerufen. 
Dieses Gesetz betraf alle nicht preußischen, auch die deutschen Erzeugnisse und be- 
lastete nicht bloß die Einfuhr, sondern, was für die kleineren deutschen Staaten 
vernichtend wirken mußte, auch die Durchfuhr. In § 16 bestimmte das Gesetz: „Der 
Verkehr im Inneren foll frey sein, und keine Beschränkung desselben zwischen den 
verschiedenen Provinzen oder Landestheilen des Staats künftig statt finden.“ Ueber die 
preußischen Zollsätze, die, weniger für die englischen (Qualitäts-) als für die 
deutschen Waaren, fast prohibitiv wirkten, führten alle deutschen Staaten, was 
naturgemäß und erklärlich, bitterste Klage. Selbst der Deutsche Bund wurde an- 
gerufen, um auf Grund von Art. 19 der Bundesacte gegen Preußen zu interveniren, 
von Preußen indeß nicht für zuständig erklärt. Zwischen der Alternative, wirth- 
schaftlich unterzugehen oder sich dem preußischen Zollsystem anzuschließen, ent- 
schlofsen sich die einzelnen deutschen Regierungen schweren Herzens für das letztere. Zwar 
haben damals einfsichtige Männer wie Friedrich List und der badische Minister 
Nebenius die Nothwendigkeit eines gemeinsamen deutschen Zollsystems betont; 
entscheidend war aber nur die Noth, welche die kleinen mehr oder weniger in der 
wirthschaftlichen Machtsphäre Preußens liegenden oder durch Preußen vom Welt- 
verkehr abgeschnittenen Staaten zwang, die Zollunion mit Preußen abzuschließen: 
nämlich die Zollvereinigungsverträge vom 22. und 30. März 1833 zwischen Preußen 
und beiden Hessen einerseits und Bayern und Württemberg andererseits vom 
30. März 18831 den Anschließungsvertrag mit dem Königreiche Sachsen ?, 11. Mai 
1833 den Anschließungsvertrag des thüringischen Zoll= und Handels-Vereins?, 
12. Mai 1835 den Anschließungsvertrag mit Baden", 10. December 1835 An- 
schließungsvertrag mit Nassau 5, am 2. Januar 1836 mit Frankfurt a. M. u. s. w.7. 
Zur Klarstellung ist anzuführen, daß die deutschen Kleinstaaten sich außer Stande 
sahen, wegen ihrer Lage und Größe allein und ohne Preußen ein zusammenhängen- 
des und abgeschlossenes Wirthschaftssystem zu schaffen, daß die preußische Industrie 
  
  
  
11 Verträge und Verhandlungen über Ndie 7 Schon früher waren beigetreten Theile von 
Pildung des deutschen Zoll= und Handelsvereins, Sondershausen 1819, das Großherzogthum 
S. 1. Sachsen-Weimar 1823, Rudolstadt 1822, Anhalt- 
2 Ebendort S. 112. Bernburg 1823, Lippe 1826, Coburg-Gotha 1823, 
à Ebendort S. 177. Heffen-Hombung 1831, Waldeck 1831, Anhalt- 
Ebendort II, S. essau und Anhalt-Cöthen 1828, beide Reuß 
  
11 
Ebendort II, S. 200. 1831, Großherzogthum Hessen 1828, Kurfürsten- 
Ebendort 1I. S. 269. ihum Hreobb hogthum Heff rf
	        
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