Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

z 26. Erschwerte Gesergebunng u. s. w. 187 
Deutschen Reiches ausgedehnt werden kann. Da die Reichsverfafsung zu ihrem 
eigentlichen Gegenstande hat, die Zuständigkeit des Reiches in Beziehung zu den 
Einzelstaaten abzugrenzen, oder, um mit dem Fürsten Bismarck zu reden!, die 
Concessionen zu finden, welche die Sonderexistenzen auf deutschem Gebiete der 
Allgemeinheit machen müssen, damit diese Allgemeinheit lebensfähig werden soll, so 
kann schwerlich an etwas Anderes als an Zuständigkeitsänderungen bei den Worten 
„Aenderung der Verfassung“ gedacht worden sein; jedenfalls wird und muß auch 
dabei an diese gedacht sein. Zwar sagte Twesten am 21. März 1867 im ver- 
sassungsberathenden Reichstage (Sten. Ber. S. 308): „Es ist ein allgemein recht- 
licher Grundsatz, geltend im Staatsrecht wie im Privatrecht, Niemand kann sich 
selbst seine Kompetenz erweitern. Eine Kompetenz, die nicht durch die Verfassung 
dem Bundesrath und dem Reichstag beigelegt wird, können sich diese Körperschaften 
niemals später selbst beilegen, wenn es nicht ausdrücklich vorbehalten wird, daß dies im 
Wege einer Verfassungsänderung geschehen kann — das würde ich jedoch für höchst 
bedenklich halten —.“ Am gleichen Tage bemerkte der Großherzoglich heffische 
Bundeskommissar Hofmann aber (Sten. Ber. S. 319) u. A.: „Ein Bedürfniß, 
weitere Materien als die im Art. 4 auf dem Wege der Bundesgesetzgebung zu 
regeln, kann sich im Laufe der Zeit allerdings herausstellen; aber wenn dies Be- 
dürfniß wirklich dringend ist, wird sich auch wohl die Zwei-Drittel-Mehrheit? im 
Bundesrath finden, welche nöthig ist, um die gesetzgeberische Thätigkeit des Bundes 
auf solche Materien auszudehnen. Daß dann die Verfassungs-Urkunde selbst 
jedesmal durch Annahme des betreffenden Gegenstandes in den Art. 4 erst amendirt 
werden müßte, scheint mir doch eine zu formale Auffassung der Sache zu sein.“ 
Zum Verständnisse dieser Rede ist es noch nöthig, den Antrag Miquel und dessen 
Begründung, welche die Rede Hofmann's veranlaßte, näher ins Auge zu fassen. 
Der Antrag lautete 3: „Der Bund ist befugt, im Wege der Gesetzgebung auch solche 
Einrichtungen zu treffen und Maßregeln anzuordnen, welche auf andere, als die im 
Art. 4 bezeichneten Gegenstände sich beziehen, wenn dieselben im Gesammtinteresse 
nothwendig werden. Der Erlaß solcher Gesetze ist an die für Verfassungs- 
aänderungen vorgeschriebenen Formen gebunden.“ Der Antrag Miquel war nicht 
um deswegen gestellt worden, weil ohne dessen Annahme eine Competenz- 
erweiterung nach Ansicht des Antragstellers ausgeschlossen sein würde, sondern mit 
solgender Begründung: „Wenn der Antrag nicht angenommen wird, so werden 
diese Maßregeln und Einrichtungen in Zukunft, wenn fie nothwendig werden, 
einfach im Wege der Verfassungsänderung getroffen werden, während fie jetzt 
möglich find durch meinen Antrag im Wege der Gesetzgebung, wenn auch mit der 
vorsichtigeren Form der Verfassungsänderung. Es wird dadurch auch bewirkt, daß 
das Parlament selbst hier auf derartige Gesetze antragen kann, daß man derartigen 
Anträgen nicht sofort entgegensetzen kann, es könne dies nicht eher zugelassen 
werden, als bis eine Verfassungsänderung dazwischen getreten ist.“ Der Abgeordnete 
Dr. Wagener (Neustettin) sprach gegen den Antrag Miquel“, weil er ihn für 
zu allgemein und überflüssig hielt; „— daß die Verfassungs-Urkunde, wie sie — 
don uns — beschlossen werden wird, Anträge und Beschlüsse auf Abänderung dieser 
Verfassung nicht ausschließt, darüber, glaube ich, kann wohl in diesem hohen Hause 
kein Zweifel herrschen. Es ist auch außerdem die Form, in der dies geschehen soll, 
mit ganz unzweideutigen und klaren Worten vorgeschrieben —. Wir haben die 
Verfassungsbefugniß zur Abänderung der Verfassung, wir brauchen sie uns nicht 
durch Amendements beizulegen, und ich glaube, es ist ein Irrthum von dem 
Antragsteller, wenn er meint, daß zwischen einer Verfassungsänderung und dem, 
was er uns hier vorschlägt, irgend ein sachlicher und durchgreifender Unterschied 
vorhanden ist. Man hat ja früher wohl die Anschauung gehabt, daß eine Ver- 
  
  
1 Am 4. März 1867 im verfassungsberathen- deutschen Bundes zu Verfassungsänderungen. 
den Reichstage Eien. Ber. S. 135), Bezold, 2 Sten. Ber. S. 316, Bezold, Materialien, 
Materialien, I, S. 171. I. S. 565. 
2 Die Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundes- 4 Sten. Ber. S. 8318. 
rathe genügte nach der Verfassung des Nord-
	        
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