§5 27. Das Berordunngsrecht. 205
13. August 1880 (ebendort S. 560) u. a.; ferner § 4 der Kaiserlichen Verordnung
vom 2. Februar 1879 (R.-G.-Bl. 1879, S. 9), betr. die Paßpflichtigkeit der aus
Nußland kommenden Reisenden, welcher § 4 den Reichskanzler ermächtigte, die zur
Ausführung der Verordnung erforderlichen allgemeinen Anordnungen zu treffen, und die
auf Grund des § 4 erlassene Bekanntmachung des Reichskanzlers vom 3. Febr. 1879
(K.-G.-Bl. 1879, S. 10). Das Gleiche gilt von § 22 des Gesetzes, betr. die
Wechselstempelsteuer vom 10. Juni 1869 (B.-G.-Bl. 1869, S. 193) und den
(anstatt des Bundespräfidiums) daraufhin erlassenen Anordnungen des Reichskanzlers
(Centralbl. f. d. Deutsche Reich 1869, S. 695, 1870, S. 36 u. s. w.). Es kann auch
nicht als unstatthaft gelten, wenn der Bundesrath die ihm gesetzmäßig übertragene
Befugniß zum Erlasse von Anordnungen theilweise dem Reichskanzler subdelegirt!
oder einer Landesbehörde?. Man wird bei Prüfung der staatsrechtlichen Gültigkeit
solcher Subdelegationen immer davon auszugehen haben, daß der Gesetzgeber souverän
ist: er kann selbst eine Sache regeln, er kann Jemanden beauftragen, fie an seiner
Statt zu regeln oder, wenn dem Beauftragten dies angemessen erscheint, durch
einen Dritten regeln lassen. Zu verlangen, daß der Kaiser oder der
Bundedrath die minutiösesten Details, und zwar für verschiedene Ortschaften ver-
schieden, selbst und unmittelbar regeln, hieße dem Gesetzgeber eine Thorheit zu-
trauen. Der Gesetzgeber kann dies zwar fordern, wenn er dies für geboten hält;
wenn er es aber nicht für geboten hält, wird er es nicht fordern, sondern nur,
daß der von ihm Ermächtigte Sorge dafür trägt, daß die Details von einem Be-
rufenen und Sachkundigen geregelt werden. Eine indirecte Anerkenntniß dafür,
daß die Subdelegation des Verordnungsrechts reichsgesetzlich — wenigstens in der
Negel — statthaft ist, liegt auch darin, daß das Gesetz, betr. die Stellvertretung
des Reichskanzlers vom 17. März 1878 (R.-G.-Bl. 1878, S. 7) nur wegen des
Kechts der Gegenzeichnung (Art. 17 der Reichsverfassung), nicht wegen der
Ausübung des Verordnungsrechts für nothwendig erachtet worden ist 5.
Ueber die Art, wie Verordnungen des Deutschen Reiches zu publiciren find,
bestehen Meinungsverschiedenheiten. Laband, Staatsrecht, I. S. 612 ff., G. Meyer,
Staatsrecht, S, 495, Binding, Handbuch des Strafrechts, II, § 288, Hänel,
Studien, II, S. 66, 91 ff., u. A. meinen, daß Verordnungen des Deutschen Reiches,
da sie im materiellen Sinne Gesetze seien, gemäß Art. 2 der Reichsverfassung im
Reichsgesetzblatt bei Vermeidung der Ungültigkeit verkündet werden müssen. Dies
wäre bei der Übergroßen Fülle solcher Verordnungen, und zumal es sich theilweise
um ganze Werke, z. B. alphabetische Waarenverzeichnisse, Wehr-, Heerordnungen,
die Pharmacopcea, handelt, gar nicht durchführbar. In Wahrheit hat die Reichs-
verfassung bei dem Worte Reichsgesetze nur an die gemäß Art. 5 der Reichs-
derfassung zu Stande kommenden Gesetze und nicht an eine dem Verfassungsleben
fremde Ausdrucksweise gedacht"“. Die Verfassung des Deutschen Reiches enthält
sonach keine Bestimmung über die Art, in welcher Reichsverordnungen zu publiciren
find. Daher hängt es von den Einzelgesetzen ab, wo und wie solche Verordnungen
publicirt werden. In einzelnen Gesetzen, z. B. Gesetz, betr. die Gründung und
Verwaltung des Reichs-Invalidenfonds vom 23. Mai 18783 (R.-G.-Bl. 1873,
S. 117), § 11, Gesetz über die Kriegsleistungen vom 13. Juni 1878 (R.-G.-Bl.
1873, S. 129), § 32, Münzgesetz vom 9. Juli 1873 (R.-G.-Bl. 1873, S. 233),
Art. 8, Bankgesetz vom 14. März 1875 (R.-G.-Bl. 1875, S. 177), 8§6, ist die
Publication im Reichsgesetzblatte vorgeschrieben. Unrichtig ist die mehrfach auf-
gestellte BehauptungS, daß Präßidial= (und Kaiserliche) Verordnungen nur im
1 Beispiele § 35 der Schiffsvermessungs-S. 176.
Ordnung vom 5. Juli 1872 (NR.-G.-Bl. 1872, 2# Vgl. Arndt, Verordnungsrecht, S. 181.
S. 270) und Instruction des Reichskanzlers 4 S. hierüber Arndt, Verordnungsrecht,
vom 23. November 1872 (Centralbl. für das S. 198 ff., Zorn, in Hirth's Annalen 1885,
Deutsche Reich 1873, S. 156), ferner § 10 der S. 310, und Staatsrecht, I, S. 494, Seydel,
Bundesrathsverordnung vom 19. Juni 1871 Comm., S. 45, u. A. m.; s. auch oben b 21.
(&.-G.-Bl. 1871, S. 255). 5 Hänel, Die ortaniatoricce Entwickelung,
à Beispiele bei Arndt, Verordnungsrecht, S. 78, 79, Laband u. A.