210 Flluftes Buch. Die Berwaltung deßs Innern.
oder richtiger die Organisation des Trägers. Gesetzgebende Gewalt ist die,
welche nicht oder wenigstens nicht allein vom Staatsoberhaupt, sondern von der
Volksvertretung oder unter Mitwirkung der Volksvertretung 1, richterliche ist die Ge-
walt, welche von unabhängigen, nur dem Gesetze unterworfenen, den Anweisungen
des Monarchen oder der Minister nicht unterstellten Beamten ausgeübt wird. Alle
andere Gewalt und Thätigkeit ist Verwaltung. In dem vorbeschriebenen Sinne
ist die Theilung der Gewalten überall im modernen Staate zur Durchführung
gelangt — mit Abweichungen nur in Bezug auf die Construction der gesetzgebenden
Gewalt. Am Klarsten ist die Lehre zur Geltung gelangt in den nordamerikanischen
Staaten, z. B. in der Constitution of Massachusetts 1780, bill of rights art. 30:
IIn the government of this commonwealth the legislative department shall never
exercise the executive and judicial powers or either of them; the executive never
shall exercise the legislative and judicial powers or either of them; the judicial
shall never exercise the legislative and executive powers or either of them; to
the and it may be a government of laws and not of men." Die Theilung der
Gewalten ist auch in der Preußischen Verfassungsurkunde anerkannt. Ihr Haupt-
inhalt ist, die gesetzgebende Gewalt von der vollziehenden zu trennen, d. h. vor-
zuschreiben, was fortan der König nur noch mit Zustimmung der Landesvertretung
thun darf. Die Trennung und Selbstständigkeit der richterlichen Gewalt von der
vollziehenden, königlichen Gewalt ist u. A. durch die Vorschriften in Art. 86: „Die
richterliche Gewalt wird durch unabhängige, keiner anderen Autorität als
der des Gesetzes unterworfenen Gerichte ausgeübt... Art. 87: „Die Richter
werden auf ihre Lebenszeit ernannt. — Sie können nur durch Richterspruch
aus Gründen, welche die Gesetze vorgesehen haben, ihres Amtes entsetzt oder zeitweise
enthoben werden " Art. 49, Abs. 3: „Der König kann bereits eingeleitete
Untersuchungen nur auf Grund eines besonderen Gesetzes niederschlagen“ , voll-
ständig gewährleistet. Die Unabhängigkeit der gesetzgebenden und vollziehenden
Gewalt von der richterlichen ist durch Art. 106, Abs. 2 gesichert: „Die Prüfung
der Rechtsgültigkeit gehörig verkündeter Königlicher Verordnungen steht nicht den
Behörden (also namentlich nicht den Gerichten), sondern nur den Kammern zu.“
Im Deutschen Reiche ist die Trennung der Justiz gesichert durch § 1 des
Gerichtsverfassungsgesetzes vom 27. Januar 1877 (R.-G.-Bl. 1877, S. 41): „Die
richterliche Gewalt wird durch unabhängige, nur dem Gesetze unterworfene Gerichte
ausgeübt.“ Die Trennung der gesetzgebenden Gewalt von der vollziehenden ist im
Deutschen Reiche gleichfalls vorhanden; denn die Gesetze des Deutschen Reiches
erläßt weder der Kaiser, noch allein der Bundesrath, vielmehr werden sie von den
Regierungen in Gemeinschaft mit dem Reichstage, bezw. nach vorheriger Zustimmung
des Reichstages, erlassen.
Ist so als festgestellt anzusehen, daß die Verwaltung ein formaler Begriff ist,
so läßt sich nicht unschwer feststellen, was Staatsverwaltung im Gegensatze
zur Selbstverwaltung ist. Auch hierbei handelt es sich um formale Ver-
schiedenheiten. Beide find nicht nach ihrem Inhalte, sondern nach ihrem Träger,
oder noch genauer nach der Organisation ihrer Träger verschieden. Mit dem Worte
„Selbstverwaltung“ wird ausgedrückt, daß bei dieser Verwaltung nicht oder doch
nicht allein von der Staatsgewalt abhängige und von dieser bestellte Organe thätig
sind oder, anders ausgedrückt, daß Diejenigen, deren Angelegenheiten verwaltet
werden, an der Verwaltung durch Wahl von Mitverwaltern betheiligt find. Man
sagt in diesem Sinne, daß die preußischen Städteordnungen auf der Selbstverwaltung
beruhen, weil die Stadtverordneten von der Bürgerschaft gewählt werden und die
Stadtverordneten an der Verwaltung der Stadt betheiligt sind und auch ferner
1 In England hat seit Beginn des vorigen stritt Stahl, daß die Lehre von der Drei-
Jahrhunderts die Krone keine Mitwirkung an theilung der Gewalten in Preußen zur Durch-
der Hesebgebun ; eine solche steht auch in der führung gelangt wäre.
Regel dem Präsidenten einer Republik nicht zu. * Val. Arndt, Preuß. Verf., 3. Aufl.,
Da in Preußen die Krone das sogenannte absolute S. 104.
Veto bei der Gesetzgebung sich gewahrt hat, be-