230 Fünftes Buch. Die Verwaltung des Jnnern.
täglichen Arbeitszeit die Gesundheit der Arbeiter gefährdet wird, kann der Bundes-
rath Dauer, Beginn und Ende der zulässigen täglichen Arbeitszeit und der zu ge-
währenden Pausen vorschreiben (§ 120e, Abs. 3). Daraufhin hat der Bundesrath
Beginn, Dauer und Ende der Arbeitszeit für den Betrieb der Bäckereien und Con-
ditoreien geregelt (R.-G.-Bl. 1896, S. 55).
Lehrlingsverhältnisse!.
Lehrlinge dürfen nur solche Personen halten und anleiten, welche sich im
Befitze der bürgerlichen Ehrenrechte befinden (§ 126), während bei sonstigen un-
selbstständigen Gewerbetreibenden (Arbeitern) nur dann die Anleitung durch Ge-
werbetreibende, die sich nicht im Besitze der bürgerlichen Ehrenrechte befinden, unter-
sagt ist (§ 106), wenn fie (die Arbeiter) unter achtzehn Jahren find. Die Befugniß
zum Halten von Lehrlingen kann solchen Personen ganz oder auf Zeit entzogen
werden, welche sich wiederholt grober Pflichtverletzungen gegen ihre Lehrlinge
schuldig gemacht haben oder sich in sittlicher Beziehung oder wegen geistiger oder
körperlicher Gebrechen dazu ungeeignet erwiesen haben (§ 126 a). Der sog.
Lehrlingszüchterei kann durch generelle oder specielle Beschränkungen in der Zahl
der zu haltenden Lehrlinge vorgebeugt werden (§ 128). Der Lehrvertrag ist
schriftlich abzuschließen, der schriftliche Abschluß kann erzwungen werden; er hat
auch rechtliche Folgen, die dem mündlichen Vertrage fehlen; indeß ist er für die
Frage, ob ein Lehrverhältniß vorliegt, nicht maßgebend. Der Lehrvertrag muß
das Gewerbe, die Dauer der Lehrzeit, die gegenseitigen Leistungen und die Voraus-
setzung seiner einseitigen Auflösung enthalten (§ 126 b). Der Lehrling ist der
väterlichen Zucht des Lehrherrn unterworfen. Uebermäßige, unanständige oder
gesundheitsgefährliche Züchtigungen sind verboten (§ 127a) und erscheinen straf-
rechtlich als Verletzungen der Berufspflicht (§ 230, Abs. 2 des Strafgesetzbuchs) ?.
Zu den Eigenthümlichkeiten des Lehrvertrages gehört das Recht des einseitigen
Rücktrittes (Probezeit). Diese Probezeit muß mindestens vier Wochen und darf
höchstens drei Monate betragen (§ 127b). Später kann der Lehrling nur aus
gesetzlich zugelassenen Gründen (§ 123) oder wegen wiederholter Pflichtverletzung oder
Vernachlässigung des Besuchs der Fortbildungs= oder Fachschule entlassen werden,
während von Seiten des Lehrlings das Lehrverhältniß — abgesehen von den gesetzlichen
Fällen (§ 124, Ziff. 1, 3 bis 5), d. h. namentlich wegen Arbeitsunfähigkeit und
wegen grober Pflichtwidrigkeiten des Lehrherrn — nur aufgelöst werden kann, wenn
der Lehrherr seine gesetzlichen Pflichten zur Ausbildung des Lehrlings vernachlässigt
oder das Recht der körperlichen Züchtigung mißbraucht oder zur Erfüllung der ihm
aus dem Lehrvertrage obliegenden Pflichten unfähig wird (§ 127b). (Nur) Wenn
der Lehrvertrag schriftlich abgeschlossen ist, kann der Lehrling, welcher der Lehre
unbefugt entläuft, polizeilich zurückgebracht werden (§ 127 d) und darf der Lehrherr
Entschädigung verlangen (§ 1271). Nach Beendigung des Lehrverhältnisses hat der
Lehrherr dem Lehrling ein Zeugniß (Lehrbrief) auszustellen (§ 127t).
In Handwerks= (im Gegensatz z. B. zu Fabrik-) Betrieben dürfen nur folche
Personen Lehrlinge anleiten, welche 24 Jahre vollendet und in dem Gewerbe oder
Gewerbszweige entweder nach beendigter Lehrzeit die Gesellenprüfung bestanden
haben oder fünf Jahre hindurch als Meister thätig gewesen find (§ 129). Gehört
der Lehrherr einer Innung an, so ist die Abschrift des Lehrvertrages binnen vierzehn.
Tagen der Innung einzureichen. Die Lehrzeit soll in der Regel drei Jahre be-
tragen und darf regelmäßig vier Jahre nicht übersteigen (§ 130 a). Dem Lehr-
linge ist Gelegenheit zu geben, sich nach Ablauf der Lehrzeit der Gesellenprüfung
vor einem Prüfungsausschusse zu unterziehen. Der Vorsitzende wird durch die
Handwerkerkammern bestellt, die Beisitzer zur einen Hälfte von der Innung und zur
anderen von Gesellen, die ihre Gesellenprüfung bestanden haben, gewählt (§ 131 a ff.),
bei den von der Handwerkskammer errichteten Ausschüssen von der Handelskammer
bestellt.
1 Dies gilt nicht für Lehrlinge in Aholheten 2 Entsch. des Reichsger. in Straff., Bd. XXIX,
und in Handelsgeschäften, § 154, Abf. 1. S. 226.