232 Fl#uftes Buch. Die Verwaltung des Jnnern.
als Fabrik anzusehen ist, kann nur unter Berücksichtigung aller obwaltenden Umstände
beantwortet werden, wobei es namentlich auf den Geschäftsumfang und die Verwendung
von Maschinen ankommt 1. Für Fabrikarbeiter gelten nachstehende besondere Vor-
schriften:
A. Arbeitsorduung.
Für jede Fabrik, in welcher in der Regel mindestens zwanzig Arbeiter be-
schäftigt werden, ist eine Arbeitsordnung zu erlassen. Der Erlaß erfolgt durch Aus-
hang (§ 184 a). Die Arbeitsordnung muß den Inhalt des Arbeitsvertrages regeln
und demgemäß Bestimmungen treffen: 1) über Anfang und Ende der täglichen
Arbeitszeit wie der Pausen, 2) über Zeit und Art der Abrechnung und Lohn-
zahlung, 8) sofern es nicht bei den gesetzlichen Bestimmungen bewenden soll, über
die Frist der zulässigen Aufkündigung, sowie Über die Gründe, aus welchen die
Entlassung und der Austritt aus der Arbeit ohne Aufkündigung erfolgen darf,
4) über Art und Höhe der Strafen und über deren Verwendungszweck, 5) über
die Verwendung der wegen Contractbruchs verwirkten Lohnbeträge. Die Strafen zu 4,
nicht die verwirkten Lohnbeträge zu 52, müssen zum Besten der Fabrikarbeiter? ver-
wendet werden. Strafen dürfen nicht das Ehrgefühl oder die guten Sitten ver-
letzen, dürfen“ regelmäßig einen halben und nur ausnahmsweise und höchstens einen
ganzen Tagelohn nicht übersteigen (§ 134 b). Der Inhalt der Arbeitsordnung ist,
soweit er den Gesetzen nicht zuwiderläuft, für die Arbeitgeber und Arbeiter rechts-
verbindlich. Vor dem Erlaß der Arbeitsordnung oder eines Nachtrages zu der-
selben ist den betheiligten großjährigen Arbeitern oder dem etwa bestehenden
ständigen Arbeiterausschusse 6# 134 h) Gelegenheit zur Aeußerung zu geben. Die
Arbeitsordnung, sowie jeder Nachtrag ist unter Mittheilung der seitens der Arbeiter
schriftlich oder zu Protokoll erfolgten Aeußerungen der unteren Verwaltungsbehörde
einzureichen. Die Arbeitsordnung ist an geeigneter, allen Arbeitern zugänglicher
Stelle auszuhängen und ist jedem Arbeiter bei seinem Eintritt in die Beschäftigung
einzuhändigen (§ 134e). Arbeitsordnungen und Nachträge, welche nicht vorschrifts-
mäßig erlassen find oder deren Inhalt den gesetzlichen Bestimmungen zuwiderläuft,
sind auf Anordnung der unteren Verwaltungsbehörde durch gesetzmäßige Arbeits-
ordnungen zu ersetzen oder den gesetzlichen Vorschriften entsprechend abzuändern
(5 1840).
B. Beschäftigung von jugendlichen und weiblichen Arbeitern.
Kinder (Personen unter vierzehn Jahren heißen Kinder), die noch unter dreizehn
Jahren find, dürfen (auch als Lehrlinge 5) in Fabriken? nicht beschäftigt werden.
Kinder über dreizehn Jahren dürfen in Fabriken nur beschäftigt werden, wenn sie
nicht mehr zum Besuche der Volksschule verpflichtet sind (§ 135, Abs. 1). Von
dieser Vorschrift kann auch der Bundesrath keine Ausnahmen gestatten.
Die Beschäftigung von Kindern unter vierzehn Jahren darf die Dauer von
sechs Stunden täglich nicht überschreiten (§ 135, Abs. 2).
Junge Leute, d. h. Personen zwischen vierzehn und sechzehn Jahren, dürfen in
Fabriken nicht länger als zehn Stunden täglich beschäftigt werden (§ 135, Abs. 8).
Die Arbeitsstunden der jugendlichen Arbeiter, d. h. der unter sechzehn Jahren,
dürfen nicht vor 5⅛ Uhr Morgens beginnen und nicht über 8½ Uhr Abends
dauern. Zwischen? den Arbeitsstunden müssen an jedem Arbeitstage regelmäßige
betrage gehen können, § 134.
5 Entsch. des Neichsger. in Straff., Bd. VII,
S. 105, Bd. XXI,
* D.kh. jede dem Zwecke der Fabrik dienende,
auch außerbalb der Fabrik verrichtete hätig-
oger. in Straff., Bd. X,
keit, Entsch. des Rei
I Vgl. Entsch. des Reichsger. in Straff., Bd.
XIV. S. 423, Bd. XVIII, S. 371, Bd. XXI,
S. 152, Bd. XXVI, S. 161, 189, Bd. XXIX,
S. 201 a. a. O.
* Vgl. auch Erlaß des preuß. Handels-
ministers vom 22. Juni 1892, Min.-Bl. f. die
ges. innere Verwaltung 1892, S. 336.
à Arbeiter der betreffenden Fabrik.
4 D. h. die Strafen zu 4, nicht die ver-
wirkten Lohnbeträge, die bis zu einem Wochen-
S. 433, Bd. XVI, S. 305, Bd. XXI, S. 152.
! Also nicht am Beginn oder am Schlusse
der Arbeit; s. Entsch., des Reichsger. in Strafs.,
Bd. XXI, S. 139.