8 31. Bon der Arbeiterverficherung. 241
der Mitarbeiter oder Zufall herbeigeführten Unfälle bestand keine Haftpflicht;
3) desgleichen nicht, wenn den Verunglückten irgend ein Versehen traf, und 4) in
nahezu allen Fällen mußte der Anspruch erst durch einen langwierigen Gerichts-
streit entschieden werden. Diesen Uebelständen tragen das Unfallverficherungsgesetz
vom 6. Juli 1884 und die späteren übrigen Unfallverficherungsgesetze Rechnung.
Sie führten kraft öffentlich-rechtlicher, reichsgesetzlicher, vom Willen der Betheiligten
unabhängiger Norm für die Unternehmer den Zwang ein, die Arbeiter und kleinen
Betriebsbeamten gegen die Folgen der Betriebsunfälle zu versichern. Beschädigungen,
die außerhalb des Betriebes entstehen, sind nicht Gegenstand dieses Gesetzes; dies
find vielmehr nur solche Beschädigungen, die unmittelbare oder mittelbare 1 Folge
des Betriebes und zwar eines Betriebsunfalles, d. i. eines mit dem Betriebe in
Verbindung stehenden abnormen (plötzlichen) Ereignisses, find. Für die bei der
Werksarbeit regelmäßig und allmählich eintretenden Gesundheitsnachtheile, wie
Bleikolik in Bleigruben, Phosphornekrose bei der Phosphorbearbeitung, allmählich
ausgebildete Brüche, besteht die Unfallversicherung sonach nicht. Die Versicherung
erstreckt fich auf Inländer, Ausländer, männliche, weibliche, bescholtene und un-
bescholtene, jugendliche und erwachsene Arbeiter, Meister, Gesellen und Lehrlinge,
gleichviel, ob sie mit oder ohne Lohn, dauernd oder nur vorübergehend beschäftigt
find. Auch im Auslande für einen inländischen Betrieb beschäftigte Personen bleiben
versichert. Strafgefangene, auch wenn sie außerhalb der Strafanstalt beschäftigt
find, fallen nicht unter das Gesetz. Die Versicherung umfaßt nur die Bediensteten
eines Betriebes, nicht Die, welche nur zu ihrer allgemeinen Belehrung oder zu ihrem
Vergnügen oder im amtlichen Auftrage? einen Betrieb besuchen, auch nicht Arbeiter,
die im Auftrage und für Rechnung eines Dritten in dem versicherungspflichtigen
Betriebe thätig find, z. B. nicht einen Maurer, der für Rechnung eines Maurer-
meisters in einem versicherungspflichtigen Betriebe Maurerarbeiten verrichtet, noch
einen Husschmied, der im Auftrage eines Schmiedemeisters ein Pferd in einem
Bergwerke beschlägt. Versicherungspflichtige Betriebe sind nur im Deutschen Reiche
gelegenes, und zwar Bergwerke, Salinen, Aufbereitungsanstalten, Steinbrüche,
Gräbereien, Werften, Bauhöfe und Hüttenwerke; s. § 1 des Unfallversicherungsgesetzes
vom 6. Juli 1884. Von den Baubetrieben unterstehen die Hochbaubetriebe
gleichfalls dem Gesetze vom 6. Juli 1884, die Tiefbaubetriebe und die meisten sog.
Regiebauten dem Gesetze vom 11. Juli 1887. Sodann find versicherungspflichtig
nach dem sog. Transportgesetze vom 28. Mai 1885 die meisten Transportbetriebe
zu Lande und auf Binnengewässern und die Betriebe der Marine= und Heeres-
verwaltungen, nach dem Seeunfallversicherungsgesetze vom 13. Juli 1887 die See-
transportbetriebe (nicht Fischerei= oder solche Fahrzeuge, die nur bis zu 50 Kubik-
meter Bruttoraumgehalt und keine Maschinenkraft haben), und endlich nach dem
Gesetze vom 5. Mai 1886 die land= und forstwirthschaftlichen Betriebe. Neben-
betriebe folgen überall dem Hauptbetriebe.
Gegenstand der Unfallversicherung ist der nach Maßgabe des Gesetzes zu be-
messende Ersatz des Schadens, welcher durch Körperverletzung oder Tödtung entsteht.
Der Schadensersatz soll im Falle der Verletzung die Kosten des Heilverfahrens,
welche vom Beginn der vierzehnten Woche nach Eintritt des Unfalls entstehen“
(bis wohin diese den Krankenkassen obliegen), und eine dem Verletzten vom Beginne
der vierzehnten Woche nach Eintritt des Unfalls an für die Dauer der Erwerbs-
unfähigkeit zu gewährende Rente betragen. Die Rente ist in der Regel nach Maß-
gabe desjenigen Arbeitsverdienstes zu berechnen, welchen der Verletzte während des
1 Z3. B. Jemand erleidet einen Betriebsunfall,
wird deshalb in das Krankenhaus nach Hamburg
ur Zeit der Choleraepidemie gebracht, wo er an
er Cholera stirbt, so ist der Tod als mittelbare
Folge des Unfalls anzusehen.
Für Beamte und Soldaten, die in Aus-
übung ihres Berufes einen Betriebsunfall er-
leiden, gilt das Gesetz vom 15. März 1886,
welches gleiche Entschädigungssätze hat wie das
Arndt, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.
Unfallverficherungsgesetz vom 6. Juli 1884.
2 Nebst ihren „Ausstrahlungen“; wer z. B.
für einen deutschen Betrieb im Auslande eine
Montage besorgt, untersteht, wenn er dabei
verunglückt, dem Unfallversicherungsgesetze.
Die Berufsgenossenschaften können nach
766 des Krankenversicherungsgesetzes die
eilung bereits vom Tage des Unfalls ab selbst
übernehmen.
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