Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

244 Fäünftes Buch. Die Verwaltung des Innern. 
vor Ablauf von zwei Jahren nach Eintritt des Unfalls bei dem zuständigen Vor- 
stande anzumelden. Nach Ablauf dieser Frist ist der Anmeldung nur Folge zu 
geben, wenn zugleich glaubhaft bescheinigt wird, daß die Folgen des Unfalls erst 
später bemerkbar geworden find, oder daß der Entschädigungsberechtigte von der 
Verfolgung seines Anspruchs durch außerhalb seines Willens liegende Verhältnisse 
abgehalten worden ist. Gegen den Bescheid des Vorstandes findet Berufung bei 
dem Schiedsgerichte statt. Die Berufung ist bei Vermeidung des Ausschlusses 
binnen vier Wochen nach der Zustellung des Bescheides beim Vorsitzenden des 
Schiedsgerichts zu erheben. Die Berufung hat keine aufschiebende Wirkung. Für 
jede Section besteht am Sitze der Section ein Schiedsgericht. Dasselbe besteht aus 
einem von der Landes-Centralbehörde ernannten öffentlichen (Staats= oder Communal-) 
Beamten und vier Beisitzern, welche zur einen Hälfte von den Sections= (Genossen- 
schafts)Versammlungen aus den bezüglichen Unternehmern, zur anderen von den 
Arbeitern in den Krankenkassenvorständen gewählt werden 1. Die Wahl der Sections- 
versammlung muß auf Unternehmer, die der Arbeiter auf Versicherte gerichtet sein. 
Das Schiedsgericht ist beschlußfähig, wenn eine gleiche Zahl von Unternehmern 
und Versicherten, und zwar mindestens je einer, als Beisitzer mitwirken. Die Ent- 
scheidungen erfolgen nach Stimmenmehrheit. Die Kosten des Schiedsgerichts, sowie 
die Kosten des Verfahrens vor demselben trägt die Genossenschaft. Dem Vorsitzenden 
darf eine Vergütung aus Genossenschaftsmitteln nicht gewährt werden. Gegen die 
Entscheidung des Schiedsgerichts findet ohne aufschiebende Wirkung binnen vier 
Wochen Recurs an das Reichs= oder Landes-Versicherungsamt (aus thatsächlichen 
oder rechtlichen Gründen) statt. Tritt in den Verhältnissen, die für die Festsetzung 
der Entschädigung maßgebend waren, eine wesentliche Veränderung ein, so kann 
eine anderweite Feststellung auf Antrag oder von Amtswegen erfolgen (§ 65). 
Der Rechtsweg ist wegen der Ansprüche der Versicherten aus der Unfallversicherung 
ausgeschlossen . Die Entscheidung darüber, ob ein Betrieb versicherungspflichtig 
sei, hat zunächst die untere Verwaltungsbehörde zu treffen (§ 62), gegen deren 
Entscheidung binnen vier Wochen nach der Zustellung des ablehnenden Bescheides 
die Berufung an das Reichs-Versicherungsamt stattfindet. Nach erfolgter Feststellung 
der Entschädigung durch den Vorstand oder das Schiedsgericht ist dem Berechtigten 
eine Bescheinigung über die ihm zustehenden Bezüge unter Angabe der mit der 
Zahlung beauftragten Stelle und der Zahlungstermine auszufertigen. Die Zahlung 
erfolgt (außer bei der für Bergarbeiter bestehenden Knappschaftsberufsgenosfenschaft) 
durch das Postamt, in dessen Bezirk der Berechtigte zur Zeit des Unfalls seinen 
Wohnsitz hatte (§ 64). Die Postbehörden haben binnen acht Wochen nach Ablauf 
eines jeden Rechnungsjahres den Trägern der Versficherung, also den einzelnen 
Genossenschaftsvorständen, bezw. den Behörden des Reiches oder des Bundestaates, 
Zahlungsnachweisungen zuzustellen (§ 70). Diese haben die von den Postbehörden 
liquidirten Beträge (wobei Zinsen, Porti u. dgl. nicht berechnet werden) innerhalb 
drei Monaten nach Empfang der Nachweisungen zu bezahlen (5 75) bei Vermeidung 
der Zwangsbeitreibung. 
Die Aufsicht über die Ausführung der Unfallversicherung steht den Ver- 
sicherungsämtern zu (§ 87). Die Bundesstaaten dürfen für ihr Gebiet (also 
auch nur für die ganz in ihrem Gebiete liegenden Berufsgenossenschaften) und auf 
ihre Kosten Landes-Versicherungsämter errichten. Soweit von dieser Befugniß kein 
Gebrauch gemacht ist oder (was, abgesehen von land= und forstwirthschaftlichen 
Genossenschaften, die Regel ist) kein Gebrauch gemacht werden konnte, übt das 
Reichs-Versicherungsamt die Aufsicht aus. Dieses hat seinen Sitz in Berlin 
und besteht aus ständigen und nichtständigen Mitgliedern. Die ersteren werden 
auf Vorschlag des Bundesrathes vom Kaiser auf Lebenszeit ernannt. Von den 
nichtständigen Mitgliedern werden vier vom Bundesrathe aus seiner Mitte und je 
zwei von den Genossenschaftsvorständen und von den Vertretern der versicherten 
  
1 S. §§ 41, 42 des Ges. und oben S. 243.|Rechtsweg zulässig (uvgl. § 63, Motive S. 72); 
*9gl. hierzu Entsch. des Reichsgerichts in indeß auch dann nur, wenn das Schiedsgericht 
Civils., Bd. XIX, S. 67, Bd. XXI. S. 76, (was es kann, aber nicht zu thun nöthig hat) 
Bd. XXVIII. S. 12. Nur über sog. Incident= den Betheiligten aufgiebt, im ordentlichen 
punkte, z. B. Gültigkeit einer Ehe, ist der Rechtsweg das fr. Verhältniß festzustellen.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.