Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

g 31. Bon der Arbeiterversichernng. 247 
IV. Invalidenversicherung!. 
An die Stelle des Gesetzes vom 22. Juni 1889 (oben S. 237) tritt am 
1. Januar 1900 das Invalidenversicherungsgesetz vom 13. Juli 1899 (R.-G.-Bl. 
1899, S. 393) in der Bekanntmachung des Textes vom 19. Juli 1899 (R.-G.-Bl. 
1899, S. 463). 
Die reichsgesetzliche Invalidenversicherung hat mit der Kranken= und Unfall- 
versicherung gemein, daß ihre Vorbedingung nicht die Beitragsleistung, sondern die 
versicherungspflichtige Beschäftigung ist. War letztere geleistet, so können die Beiträge 
noch innerhalb zwei bezw. vier Jahren entrichtet werden (§ 146). Markenverwendung, 
ohne Pflicht oder Recht dazu, genügt nicht zur Erlangung eines Rentenanspruchs. 
Die Invalidenversicherung unterscheidet sich von der Kranken= und Unfallversicherung 
dadurch, daß es wohl bei ihr, nicht aber bei diesen auf die Dauer der verficherungs- 
pflichtigen Beschäftigung ankommt. Die Invalidenversicherung hat auch insoweit 
mehr den Charakter eines Versficherungs-, als eines Versorgungsgesetzes, weil nach 
Eintritt des Verficherungsfalls, insbesondere nach Eintritt der Invalidität, vom 
Willen des Verficherten abhängig gewesene Handlungen, z. B. die freiwilligen 
Fortversicherungen, nicht mehr rechtsgültig erfolgen können (§ 146). 
Versficherungspflichtig find kraft Gesetzes vom vollendeten 16. Lebensjahre 
1) Personen, welche als Arbeiter, Gehülfen, Gesellen, Lehrlinge oder Dienstboten 
gegen Lohn oder Gehalt beschäftigt werden, 2) Betriebsbeamte, Werkmeister und 
Techniker, Handlungsgehülfen und Lehrlinge (ausschließlich der in Apotheken be- 
schäftigten Gehülfen und Lehrlinge), sonstige Angestellte, deren dienstliche Be- 
schäftigung ihren Hauptberuf bildet, sowie Lehrer und Erzieher, sämmtlich, sofern 
sie Lohn oder Gehalt beziehen, ihr regelmäßiger Jahresarbeitsverdienst aber 
2000 Mark nicht übersteigt, 3) die gegen Lohn oder Gehalt beschäftigten 
Personen der Schiffsbesatzung deutscher: Seefahrzeuge und von Fahrzeugen? der 
Binnenschifffahrt. Versicherungspflichtig find namentlich alle handwerks-, wie 
sabrikmäßigen, wie endlich die land= und forstwirthschaftlichen Betriebe. Nur 
Arbeiter, nicht selbstständige Gewerbetreibende, auch wenn diese social den Arbeitern 
gleichstehen, find versicherungspflichtig; also fsind nicht versicherungspflichtig selbst- 
ständige Dienstmänner, Näherinnen, Schneiderinnen, Plätterinnen, Strickerinnen, 
ja selbst Gesellen und Gehülfen, die in eigener Wohnung thätig find. Als ent- 
scheidend für den Begriff des Arbeiters wird nicht die wirthschaftliche, sondern die 
persönliche Abhängigkeit erachtet. Der Betrieb muß ein inländischer sein, vorüber- 
gehende Beschäftigung im Auslande für einen inländischen Betrieb ist versicherungs- 
pflichtig. Durch Bundesrathsbeschluß kann die Versicherungspflicht auf Betriebs- 
unternehmer, welche nicht regelmäßig wenigstens einen Lohnarbeiter beschäftigen, 
sowie, ohne Rücksicht auf etwa von ihnen beschäftigte Lohnarbeiter, auf Haus- 
gewerbetreibende ausgedehnt werden. Dies ist geschehen bezüglich der Hausgewerbe- 
treibenden der Tabaksfabrikation (R.-G.-Bl. 1891, S. 395) und der Textilindustrie 
(R.-G.-Bl. 1894, S. 324, und 1895, S. 452). Als versicherungspflichtig gilt die 
Beschäftigung nicht, für welche als Entgelt nur freier Unterhalt gewährt wird, 
auch wenn als Beitrag zum freien Unterhalt Baarleistungen (Taschengeld) nebenher 
erfolgen?; daher ist die Beschäftigung von Eltern, Kindern, überhaupt nahen 
Verwandten im Haushalte nur ausnahmsweise und nur versicherungspflichtig, 
wenn persönliche Abhängigkeit und ein fester, in bestimmten Beträgen und in 
genau bezeichneten Terminen zahlbares Baarentgelt im Vertrage festgestellt sind ". Vor- 
übergehende Dienstleistungen, d. h. die vom Bundesrathe dazu erklärten (R.-G.-Bl. 
1891, S. 399), find gleichfalls nicht versicherungspflichtig. Beamte des Reiches 
und der Bundesstaaten, die mit Pensionsberechtigung angestellten Beamten von 
Communalverbänden, sowie Personen des Soldatenstandes unterliegen nicht der Ver- 
sicherungspflicht. Auf ihren Antrag können von der Versicherungspflicht befreit 
1 Literatur: Die Arbeiterverficherung, die à 53, Abs. 2 d. Ges. 
Entscheidungen des Reichs-Versicherungsamts, " Zwischen Eheleuten kann kein ver- 
Commentare von v. Woedtke, Just, Piloty sicherungspflichtiges Verhältniß bestehen. 
u. A. 6 Für vo rübergehend beschäftigte Ausländer 
* Führung der Reichsflagge ist nicht R 84, Abs. 1. 
scheidend. 8 1, letzt. Satz. 
 
	        
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