Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

§ 32. Bom Maaß-, Gewichts-, Münz- und Bankwesen. 261 
Verkehre zu ziehen, indem er auch Kassenscheine, Thalerstücke, sowie andere Silber- 
und Scheidemünzen jeder Zeit gegen Gold — das in sich vollwerthige Münz- 
mittel — umtauschen kann. Da nun 1395 Mark ein Pfund fein Gold find, so 
bedeutet die Reichsmark 1½/1898 Pfund feinen Goldes. Dies ist der 
wichtigste durch Ableitung gefundene Rechtssatz des deutschen Münzwesens, und dieser 
Satz bestimmt auf dem in- und ausländischen Markte den wahren Betrag jeder im 
Deutschen Reiche zahlbaren Forderung. 
- Papiergeld im Sinne der deutschen Reichsverfassung (Art. 4, Ziffer 3) find 
auf den Inhaber gestellte, einseitige, unverzinsliche, bei Vorzeigung sofort fällige 
und gegen Reichswährung (also gegen Gold) einlösbare Schuldverschreibungen 7. 
Papiergeld heißt „fundirtes“, wenn seine Ausgabe nur statthaft ist auf Fundirung, 
d. h. auf Grund vorhandener Deckung. In diesem Sinne find die Reichsbanknoten 
gedecktes Papiergeld, weil Banknoten nur in der Höhe ausgegeben werden dürfen, 
als Deckung (Fundirung) theils durch Gold= oder durch Schuldverschreibungen des 
Reiches, theils durch geeignete Wechsel vorhanden ist. 
Allerdings giebt es im engsten juristischen Sinne dieses Wortes im Deutschen 
Reiche kein Papiergeld, da zur Zeit nicht Jedermann verpflichtet ist, Werthzeichen 
aus Papier, Reichskassenscheine oder Banknoten in Zahlung zu nehmen. Im Sinne 
der Reichsverfassung wie im gewöhnlichen Sprachgebrauche giebt es Papiergeld im 
Deutschen Reiche, dessen Werth ebenso wie derjenige der Silber-, Nickel- und Kupfer- 
münzen nicht auf dem Materialwerthe, sondern auf dem Credite des zur Einlösung 
Verpflichteten beruht. Der Werth jeden Geldes beruht am letzten Ende auf einer 
Thatsache, der des Goldgeldes auf dem Werthe des Materials, derjenige aller 
anderen Geldsorten auf der Zahlungsfähigkeit des Schuldners. Die Gesetze darüber, 
was in Zahlung genommen werden muß, schwanken und find dem Wechsel unter- 
worfen. Sie find der Wirklichkeit gegenüber auf die Dauer ohnmächtig. Wenn 
3. B. ein absolut zahlungsunfähiger Staat einer absolut werthlosen Sache Zwangs- 
cours beilegen wollte, so würde Niemand etwas gegen dieses „Geld“ verkaufen oder 
vertauschen, und Derjenige, welcher Etwas kaufen oder tauschen will, müßte sich schon 
bequemen, anderes als solches „Geld“ zu bieten. Wie dem aber auch sein mag, 
ob dies im Sinne der Theorie Geld ist oder nicht, die Regelung Dessen, was im 
obigen Sinne „fundirtes“ oder „unfundirtes Papiergeld“ ist, steht dem Reiche zu. Die 
Regelung ist dahin erfolgt, daß vorläufig durch Gesetz über die Ausgabe von 
Papiergeld vom 16. Juni 1870 (B.-G.-Bl. 1870, S. 507), sodann durch Art. 18 
des Münzgesetzes vom 9. Juli 1873 — welcher den Bundesstaaten die Verpflichtung 
zur Aufrufung und Einlösung des von ihnen ausgegebenen Papiergeldes auferlegt — 
und schließlich und zugleich endgültig durch Gesetz, betreffend die Ausgabe von 
Reichskassenscheinen vom 30. April 1874 (R.-G.-Bl. 1874, S. 40), den Einzel- 
staaten die Befugniß, nach eigenem Ermessen Papiergeld, fundirtes wie unfundirtes, 
auszugeben, entzogen ist. Papiergeld kann nur noch auf Grund Reichsgesetzes 
ausgegeben werden. Das Reich seinerseits hat aufs Grund dieses Gesetzes Reichs- 
kassenscheine ausgegeben, welche im Sinne der Reichsverfassung Reichspapiergeld 
sind, obgleich im Privatverkehr kein Zwang zu ihrer Annahme besteht (Gesetz vom 
30. April 1874, § 5). Diese müssen von der Reichshauptkasse jeder Zeit auf Er- 
sordern im Nennwerthe gegen baares Geld (Gold) eingelöst, auch bei den Kassen des 
Reichs und aller Bundesstaaten zu ihrem Nennwerthe in Zahlung genommen werden. 
Die Reichskassenscheine werden von der „Reichsschuldenverwaltung“ ausgefertigt. 
Ausfertigung und Ausgabe unterstehen der Controle der „Reichsschuldenkommission". 
Die Kassenscheine dürfen nur über die Beträge von 5, 20 und 50 Mark lauten. 
Der dauernd zum Umlaufe bestimmte Betrag beziffert sich nach § 1 des Gesetzes 
vom 30. April 1874 auf 120 Millionen Mark. Beschädigte oder unbrauchbar 
gewordene Scheine sind vom Reiche regelmäßig nur zu ersetzen, wenn das vor- 
gelegte Stück mehr als die Hälfte eines ganzen, unzweifelhaft echten Scheines dar- 
stellt (§ 6 des Gesetzes vom 30. April 1874). 
Die Verpflichtung des Reiches zur Einlösung der Kassenscheine ist sowohl eine 
— — 
1 Siehe auch Zachariä, II, § 198, S. 377. 
  
 
	        
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