§ 33. Der Schutz des geistigen Eigenthums. 271
Das geistige Eigenthum begreift die Erzeugnisse der menschlichen Arbeit, in-
sofern diese nicht durch ihren Stoff, sondern durch ihre Form dem Gebrauche dienen.
Ein Recht des geistigen Eigenthums besteht nur an solchen Objecten, deren Repro-
duction dem ersten Urheber durch das positive Recht ausschließlich vorbehalten ist.
Das geistige Eigenthum ist von dem Eigenthum an den einzelnen Gegenständen,
z. B. den Exemplaren der Schrift, des vervielfältigten Kunstdruckes oder des ge-
werblichen Erzeugnisses, verschieden. Es hat das Recht zur Reproduction, zur Ver-
vielfältigung u. s. w. zu seinem Inhalte.
Der Patentschutz im modernen Sinne oder im Unterschiede von den
Zwangs= und Bannrechten ist zuerst in England zur Anwendung gelangt !. Von
dort wurde er in Frankreich übernommen. Das franzöfische Gesetz über die Er-
findungspatente vom 7. Januar 1891 zählt das Recht des Erfinders zu den
allgemeinen Menschenrechten und giebt dem Erfinder einen Rechtsanspruch auf die
ausschließliche Nutzung der Erfindung. Einen folchen Anspruch giebt auch die
deutsche Reichsgesetzgebung dem Erfinder, indem sie die Forderung der Freihandels-
schule verwarf, die Benutzung jeder Erfindung Jedem im allgemeinen Interesse und
nach den Principien der allgemeinen Gewerbefreiheit frei zu gestatten.
Die Reichsgesetzgebung verschafft Demjenigen, der zuerst etwas gewerblich Ver-
werthbares erfunden hat, ein Recht auf alleinige gewerbliche Verwerthung, und
zwar, um zu gewerblichen Erfindungen anzuspornen und diese zu belohnen.
Dieses Recht ist aber nicht, wie das Eigenthum, ein absolutes und unbegrenztes,
anmerte ist es im allgemeinen Interesse an Zeitgrenzen und andere Bedingungen
eknüpft.
"6 Patente werden ertheilt für neue Erfindungen, welche eine gewerbliche
Verwerthung gestatten (§ 1, Satz 1 des Patentgesetzes vom 7. April 1891). Das
Gesetz überläßt der Wissenschaft und Praxis, den Begriff der „Erfindung“ fest-
zustellen. Von der Entdeckung unterscheidet sich die Erfindung darin, daß nur
bereits Vorhandenes entdeckt werden kann; so ist Amerika und so find die chemischen
Elemente nicht erfunden, sondern entdeckt worden. Erfunden wird, was noch nicht
da war; es handelt sich dabei um das Hervorbringen von Wirkungen in neuer
Weise, also um einen technischen Fortschritt. Neue Verfahren, welche über die
handwerksmäßigen Gepflogenheiten nicht hinausreichen, welche des geistigen Gehalts
entbehren, sind nicht Erfindungen im Sinne des Patentgesetzes.
Nur die neue Erfindung kann patentirt werden (§ 1). Sie muß subjectiv
wie objectiv (der Allgemeinheit gegenüber) neu sein. Sie gilt insbesondere? nicht
als neu, „wenn sie zur Zeit der auf Grund des Reichs-Patentgesetzes erfolgten
Anmeldung in öffentlichen Druckschriften aus den letzten hundert Jahren bereits derart
beschrieben oder im Inlande bereits so offenkundig benutzt ist, daß darnach die
Benutzung durch andere Sachverständige möglich erscheint“ (§ 2, Abf. 1). Um
patentirt zu werden, muß die Möglichkeit, nicht gerade die Gewißheit, der ge-
werblichen Verwerthung gegeben sein. Auch noch unvollkommene Erfindungen, auch
solche, welche erst durch weitere Erfindungen mit sicherem finanziellen Erfolge ver-
werthet werden können, haben Anspruch auf Patentschutz.
Dagegen find neue wissenschaftliche Sätze, auch wenn aus ihnen wirthschaft-
liche Folgen gezogen werden können, z. B. der Lehre von der Einheit der Kraft,
nicht patentfähig.
Erfindungen, deren Verwerthung den Gesetzen oder guten Sitten zuwider-
laufen würde, z. B. über Verfahren zur Abtreibung der Leibesfrucht, find nicht
patentfähig (§ 1, Abs. 2, Ziff. 1); ebensowenig Erfindungen von Nahrungs-,
Genuß= und Arzneimitteln, sowie von Stoffen, welche auf chemischem Wege
— —
1 R. Klostermann, 1. c. S. 44.
.. Die hier vertretene Anficht, daß die Neu-
heit nicht bloß in den beiden im Texte auf-
geährten gesetzlich vorgeschriebenen Fällen, son-
noch in anderen Fällen ausgeschlossen ein
kann, wird auch getheilt von G.
waltungsrecht, 1, 139, Anm. 14, Laband,
Reichsstaatsrecht, 11, S. 228, Dernburg,
Preuß. Privatrecht, § 308, Nr. 10 u. A.; an-
derer Ansicht Kohler, Patentrecht, S. 36 ff.
u. A.
eyer, Ver-