276 Fünftes Buch. Die Verwaltung des Innern.
Verfahren auf Zurücknahme entspricht im Uebrigen dem auf Nichtigkeitserklärung
gerichteten.
Die Ertheilung, die Erklärung der Nichtigkeit und die Zurücknahme der Patente
erfolgt durch das Patentamt. Das Patentamt — § 13 — hat seinen Sitz in
Berlin. Es besteht aus einem Präsidenten, aus rechtskundigen und aus technischen
Mitgliedern. Diese werden, und zwar der Präßident auf Vorschlag des Bundes-
raths, vom Kaiser ernannt. Die Berufung der rechtskundigen Mitglieder erfolgt,
wenn sie im Reichs= oder Staatsdienst ein Amt bekleiden, auf die Dauer dieses
Amts, anderenfalls auf Lebenszeit. Die Berufung der technischen Mitglieder er-
folgt entweder auf Lebenszeit oder auf fünf Jahre. Sämmtliche Mitglieder find
Reichsbeamte. Auf die nur für fünf Jahre Angestellten findet aber § 16 des Reichs-
beamtengesetzes vom 31. März 1873 keine Anwendung.
In dem Patentamt werden nach der Kaiserlichen Verordnung vom 11. Juni
1891 (R.-G.-Bl. 1891, S. 349) vier Anmeldeabtheilungen, 1, II, III und IV,
gebildet, deren Zuständigkeit nach den Gebieten der Technik durch den Reichskanzler
bestimmt wird. Sodann bestehen die Beschwerdeabtheilungen I und II.
Die Beschwerdeabtheilung I1 ist zuständig für die Beschwerden gegen Beschlüsse der
Anmeldeabtheilungen I und II, sowie für Beschwerden gegen Beschlüsse der
Nichtigkeitsabtheilung. Die Beschwerdeabtheilung II ist zuständig für Beschwerden
gegen Beschlüsse der Anmeldeabtheilungen III und IV. Endlich besteht (auch für
Zurücknahmeanträge) die Nichtigkeitsabtheilung (§ 14 des Patentgesetzes).
Die Zuweisung der Mitglieder des Patentamtes an die Abtheilungen erfolgt durch
den Reichskanzler (§ 5 der Kaiserlichen Verordnung vom 11. Juni 1891). Die
Geschäftsleitung in den Anmeldeabtheilungen steht dem zum Vorsitz berufenen
rechtskundigen Mitgliede, die Geschäftsleitung in den Beschwerdeabtheilungen und in
der Nichtigkeitsabtheilung dem Präsidenten zu (§ 4 das.).
Das Berufungsverfahren in Patentsachen vor dem Reichsgericht ist auf Grund
des § 33 des Patentgesetzes durch die Kaiserliche Verordnung, betreffend das Be-
rufungsverfahren beim Reichsgericht in Patentsachen, vom 6. Dezember 1891 ge-
regelt (R.-G.-Bl. 1891, S. 389).
Im Zurücknahme= wie im Nichtigkeitsverfahren sind Patentamt wie Reichs-
gericht nur auf Antrag, nie von Amtswegen zuständig. Die Zurücknahme= wie
die Nichtigkeitserklärungen sind als Acte der Verwaltungsgerichtsbarkeit anzusehen.
Die Gerichte find verpflichtet, dem Patentamt Rechtshülfe zu leisten (§ 32),
nicht bloß, um im Beweisverfahren Zeugen oder Sachverständige eidlich zu ver-
nehmen, sondern z. B. auch, um Kostenfestsetzungsbeschlüsse des Patentamtes für
vollstreckbar zu erklären 1.
Wer wissentlich oder aus grober Fahrlässigkeit den gesetzlichen Bestimmungen,
den §§ 4 und 5, zuwider eine Erfindung in Benutzung nimmt, ist dem Ver-
letzten zur Entschädigung verpflichtet. Handelt es sich dabei nur um eine Er-
findung, welche ein Verfahren zur Herstellung eines neuen Stoffes zum Gegenstand
hat, so gilt zum Beweise des Gegentheils jeder Stoff von gleicher Beschaffenheit als
nach dem patentirten Verfahren hergestellt (§ 35). Ansprüche gegen den Ver-
pflichteten sind von den Gerichten geltend zu machen.
Wer wissentlich, d. h. wissend um das Patent und die Nichtgenehmigung des
Patentinhabers?, den gesetzlichen Bestimmungen (§§ 4, 5) zuwider eine Erfindung
in Benutzung nimmts, wird mit Geldstrafe bis zu fünftausend Mark oder mit
Gefängniß bis zu einem Jahre bestraft. Die Strafverfolgung tritt nur auf Antrag
ein. Der Antrag kann sowohl vom Patentinhaber wie von Dem gestellt werden,
welchem das Patentrecht übertragen ist“. Die Zurücknahme des Antrages ist zu-
lässig. Wird auf Strafe erkannt, so ist zugleich dem Verletzten die Befugniß
ffi Gluß des Reichsger. vom 19. Jamnar lungen sind nicht strafbar- Entsch. des Reichs-
189.. Lupit in Civils., Bd. XXIII, S. 423. gerichts in Straff., Bd . XI, S. 24, und Bd.
2 Entsch. des Reichsger. in Straff., Bd. IV., XXVII, S. 51.
12, Bd. VI, S. 224, Bd. VIII, S. 215. 4 Entsch. des Reichsger. in Strass., Bd. XI,
8 Blose Versuchs- oder Vorbereitungs Shand- S. 266.