Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

8 34. Postwesen. 283 
Art. 4, Ziff. 10 der Verfassung des Norddeutschen Bundes, bezw. der Reichs- 
verfassung legte dem Bunde (Reiche) die Beaufsichtigung und die Gesetzgebung über 
das Post= und Telegraphenwesen bei. Art. 48, Abs. 1 ebendort bestimmt: „Das 
Postwesen und das Telegraphenwesen werden für das gesammte Gebiet des Deutschen 
Reichs als einheitliche Staatsverkehrs-Anstalten eingerichtet und verwaltet.“ Nach 
Art. 50 gehört dem Kaiser die obere Leitung der Post= und Telegraphenverwaltung 
an — — Ihn steht der Erlaß der reglementarischen Festsetzungen und allgemeinen 
administrativen Anordnungen, sowie die ausschließliche Wahrnehmung der Be- 
ziehungen zu anderen Post= und Telegraphenverwaltungen zu. 
In Elsaß-Lothringen wurden die Vorschriften der Reichsverfassung über 
das Post= und Telegraphenwesen durch Kaiserliche Verordnung vom 14. Oktober 
1871 (R.-G.-Bl. 1871, S. 443) eingeführt. Diese Vorschriften finden nach Art. 52 
der Reichsverfassung auf Bayern und Württemberg keine Anwendung. Diese 
Bundesstaaten haben an den zur Reichskasse fließenden Einnahmen des Post= und 
Telegraphenwesens keinen Theil. Doch gilt auch für diese Staaten: 1) (Art. 52, 
Abs. 2): „Dem Reiche ausschließlich steht die Gesetzgebung über die Vorrechte der 
Post und Telegraphie, über die rechtlichen Verhältnisse beider Anstalten zum 
Publikum, über die Portofreiheiten und das Posttaxrwesen zu.“ Dagegen 
steht Bayern und Württemberg, einem jeden Staate für seinen internen Verkehr, 
der Erlaß der reglementarischen Anordnungen, wie die Bestimmung der Tarife im 
Post- und Telegraphenwesen zu. 
2) (Art. 52, Abs. 3): „Ebenso steht dem Reiche die Regelung des Post= und 
Telegraphenverkehrs mit dem Auslande zu . . .... * Dagegen haben Bayern und 
Württemberg die Befugniß, nach näherer Vorschrift in Art. 49 des Postvertrages 
vom 23. November 1867 (B.-G.-Bl. 1868, S. 69) den Post= und Telegraphenverkehr 
mit ihren dem Reiche nicht angehörenden Nachbarstaaten zu regeln. 
Der Inhalt des Art. 49 geht dahin, daß die Erleichterungen, welche dem 
Postverkehr des betreffenden Auslandes mit dem Gebiete der vertragschließenden 
deutschen (d. h. der bayerischen oder württembergischen) Verwaltung zu Theil 
werden, regelmäßig in gleicher Weise und unter denselben Bedingungen auch auf 
den durch diese Verwaltung stückweise vermittelten Correspondenzverkehr anderer 
deutscher Postgebiete mit dem betreffenden Auslande zur Anwendung kommen. 
Nach Art. 48, Abs. 2 der Reichsverfassung ist dem Gesetzgebungswege das- 
jenige Gebiet des Post= und Telegraphenwesens entzogen, welches davon im Nord- 
deutschen Bunde befreit gewesen ist. In diesem war (Art. 48 der Verfassung des 
Norddeutschen Bundes) der Verordnungsweg in den Fällen zulässig, wo er dies 
nach dem preußischen Recht war 1. Der Kaiser hat hiernach auf dem Gebiete des 
Post- und Telegraphenwesens die Befugniß, alle Gegenstände, welche in Preußen 
nicht durch Gesetz geregelt waren, durch Verordnung zu regeln, insbesondere also 
auch die erforderlichen Rechtsnormen aufzustellen. Da nun die Absicht weder der 
Reichs= noch der Norddeutschen Bundesverfassung dahin ging, noch vernünftiger 
Weise dahin gehen konnte, daß der Kaiser alle diese Details in Person zu normiren 
habe, so ist dem Reichskanzler die Befugniß subdelegirt worden, auf dem gesetzlichen 
Gebiete das Post= und Telegraphenwesen zu regeln, wie diese Befugniß auch einst in 
Preußen nicht vom Monarchen in Person, sondern durch den Ressort-(Handels-) 
Minister ausgeübt worden ist. 
Nach Art. 50, Absf. 2 der Reichsverfassung steht dem Kaiser die ausschließliche 
Wahrnehmung der Beziehungen zu anderen Post= und Telegraphenverwaltungen zu. 
Er hat das Vertragsrecht, und zwar ohne daß er auf dem gesetzfreien Gebiete die 
Zustimmung des Bundesrathes oder des Reichstages nöthig hat. 
Da Reichsverordnungen nur, wenn dies der Reichsgesetzgeber ausdrücklich vor- 
schreibt, im Reichsgesetzblatt verkündet zu werden brauchen?, so sind die vom 
  
  
11 Arndt, Verordnungsrecht, S. 116, Rie= den Abschluß von Staateverträgen, Leipzig 
del, Comm., S. 194 ff., Morio- zum Postgesetze 1874, S. 208 ff. 
vom 2. November 1867 in den Drucks. des 2 Oben S. 205f. 
Reichst. 1867, S. 29, Ernst Meier, Ueber
	        
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