284 Sechstes Buch. Berkehrswesen.
Reichskanzler erlassenen Verordnungen auf dem Gebiete des Post= und Telegraphen-
wesens zu Recht im Centralblatt für das Deutsche Reich verkündet worden 1.
Die vom Kaiser bestellten Post= und Telegraphenbehörden haben die Pflicht
und das Recht (Art. 50 der Reichsverfassung), dafür zu sorgen, daß Einheit in
der Organisation der Verwaltung und im Betriebe des Dienstes, sowie in der
OQualification der Beamten hergestellt und erhalten wird. Sämmtliche Beamte der
Post- und Telegraphenverwaltung find verpflichtet, den Kaiserlichen Anordnungen
Folge zu leisten. Diese Verpflichtung ist in den Diensteid aufzunehmen (Art. 50,
Abs. 3). Sie sind also Reichsbeamte im Sinne des Reichsbeamtengesetzes. Die
Anstellung der oberen Beamten (diese sind die Oberpost-Directoren, Post= und
Oberpost-Räthe), ferner die Anstellung der Aufsichtsorgane (z. B. Inspectoren,
Controleure, Oberpostkassenrendanten) geht für das ganze Gebiet des Deutschen
Reiches (Bayern und Württemberg ausgenommen) vom Kaiser aus. Die anderen
Verwaltungsbeamten, sowie alle für den localen und technischen Betrieb bestimmten
Beamten werden von den Landesregierungen angestellt (Art. 50, Abs. 5), soweit diese
darauf nicht durch Verträge verzichtet haben oder verzichten (Abs. 6).
Nun hat Preußen die Bearbeitung der ihm im eigenen oder fremden
Gebiet zustehenden Verwaltung des Post= und Telegrapenwesens auf das Reich
übertragen, da der Allerhöchste Erlaß vom 28. September 1867 (Preuß. Ges.-S.
1867, S. 1780) bestimmte, daß diese Verwaltung auf den Präsidenten des Staats-
ministeriums übergehe und „unter dessen Verantwortlichkeit im Zusammenhange
mit der dem Bundeskanzler zustehenden Verwaltung des Post= und Tele-
graphenwesens bearbeitet werde“. Die Verwaltung ist dem Rechte nach
eine preußische geblieben, die bezüglichen Beamten, obwohl vom Reiche angestellt,
sind preußische Staatsbeamte und unmittelbare Reichsbeamte?.
Oldenburg hat 1868 und bezw. 1870 das Recht der Anstellung aller Post-
und Telegraphenbeamten auf das Reich übertragen.
Die Verwaltung des Post= und Telegraphenwesens in den Hansestädten ist
gemäß Art. 51 der Verfassung des Norddeutschen Bundes auf den Bund, also
nunmehr auf das Reich übergegangen.
Im Königreich Sachsen, in beiden Mecklenburg, in Baden und in Braun-
schweig erfolgt auf Grund besonderer Vereinbarungen die Annahme und Entlassung
der im Vorbereitungsdienst befindlichen Beamten (Posteleven, Postpraktikanten und
Postgehülfen), sowie die Anstellung sämmtlicher Unterbeamten durch das Reich, da-
gegen die Anstellung, Beförderung und Entlassung der oberen Beamten, soweit
diese nicht nach der Verfassung dem Kaiser übertragen ist, Namens der Landes-
regierungen.
Altenburg hat nach Aufhebung des mit Sachsen bestandenen Vertrages das
Anstellungsrecht dem Reiche übertragen.
Durch Kaiserliche Verordnung vom 22. Dezember 1875 (R.-G.-Bl. 1875,
S. 379) sind vom 1. Januar 1876 ab Post und Telegraphie zu einem einheit-
lichen Ressort unter der Leitung des General-Postmeisters verbunden worden und
dieses führt laut Erlaß vom 23. Februar 1880 (R.-G.-Bl. 1880, S. 25) die
Bezeichnung „Reichs-Postamt".
Charakter der Post.
Die Geschäfte der Post= und Telegraphenverwaltung, d. i. die entgeltliche Be-
förderung von Personen und Sachen und die entgeltliche Uebermittelung von Nach-
richten, sind solche, die auch ein Privatmann vornehmen könnte. Aber daraus
folgt nicht, daß sie, wenn sie ein Staat betreibt, unter allen Umständen Handels-
geschäfte oder gewerbliche Leistungen darstellen. Es ist denkbar, daß ein Staat
1 Vgl. auch R. Sydow, im Postarchiv 1891, 2 Vgl. auch Laband, in Hirth's Annalen
S. 520, und Dambach, Das Gesetz über das 1873, . 466 f., und Laband, Reichsstaats-
Postwesen u. s. w., 5. Aufl., S. 209. recht, II, S. 44.