834. Postwesen. 291
Ausnahmen bestehen nicht! und können auch gegenüber dem reichsgesetzlichen Verbot
nicht eingeführt werden.
Vorrechte der Post.
Da der Staat die ausschließende Befugniß besaß, Posten und Marktschiffe
anzulegen, und da Niemand etwas unternehmen durfte, was zur Schmälerung der
Posteinkünfte gereichte (Allgemeines Landrecht Thl. II, Tit. 15, §§ 141, 142), da
insbesondere Niemand berechtigt war, an festgesetzten Zeiten und zwischen ver-
schiedenen Orten Personen und Sachen zu befördern, so lagen die Errichtung und
der Betrieb von Eisenbahnen innerhalb des Postregals und der Rechte des Staates,
so bedurften sie und bedürfen fie eines staatlichen Privilegs. Da nun die deutschen
Staaten, Preußen voran, den Eisenbahnbau dem Privatcapital überlassen wollten, und
da fie dadurch einen wesentlichen Theil des Postregals aufgaben, so legten sie wegen der
Uebertragung eines großen Theils des Postregals an die Eisenbahngesellschaften
diesen besondere Verpflichtungen für den Postbetrieb auf. § 36, Abs. 1 des in fast allen
deutschen Staaten nachgebildeten Gesetzes über die Eisenbahn-Unternehmungen vom
3. November 1838 (Preuß. G.-S. 1838, S. 505) bestimmte: „Die aus dem Post-
regale entspringenden Vorrechte des Staats, an festgesetzten Tagen und zwischen
bestimmten Orten Personen und Sachen zu befördern, gehen, soweit es für den
Betrieb der Eisenbahnen nöthig ist, die in jenem Regale enthaltene Ausschließung
des Privatgewerbes aufzugeben, auf dieselben über, wobei der Postverwaltung die
Berechtigung vorbehalten bleibt, die Eisenbahnen zur Beförderung von postmäßigen
Versendungen unter den nachfolgenden näheren Bestimmungen zu benutzen“;
namentlich sollten die Gesellschaften verpflichtet sein, den Eisenbahnbetrieb in Ueber-
einstimmung mit den Bedürfnissen der Postverwaltung zu bringen, sowie den
unentgeltlichen Transport der Briefe, Gelder und aller anderen dem Postzwange
unterworfenen Güter zu besorgen. § 4, Abf. 1 des Postgesetzes vom 28. Oktober 1871
hielt mit den besonderen gesetzlichen Vorschriften auch den § 36 des preußischen
Gesetzes vom 3. November 1838 aufrecht und zugleich die auf Grund dieser Vor-
schrift erlassenen Concessionsurkunden. Abs. 2 § 4 bestimmte, daß gleiche
Leistungen den Eisenbahngesellschaften auch bei Erweiterung ihrer Concesfion (bei
neuen Linien) durch die Landesregierungen auferlegt werden sollten. Abs. 3 be-
auftragte den Kaiser, die erforderlichen Anordnungen zu treffen, damit bei neu zu
concessionirenden Eisenbahn-Unternehmungen die den Eisenbahnen im Interesse der
Post aufzuerlegenden Verpflichtungen gleichmäßig — indeß nicht über den Inhalt
des preußischen Rechts (Gesetz vom 3. November 1838) hinaus — bemessen werden.
Der Kaiser erließ auch solche Vorschriften?. Für die Staatseisenbahnen wurden
die Leistungen, welche diese für die Post zu gewähren hatten, durch ein im Bundes-
rathe vereinbartes Reglement vom 4. Dezember 1867 bis zum Ablauf des Jahres
1875 bestimmt 2. Jetzt gilt für alle Eisenbahnen, mögen diese dem Reiche, einem
Bundesstaate oder Privaten gehören (nur nicht in Bayern und Württemberg),
das Gesetz, betreffend die Abänderung des § 4 des Gesetzes über das Postwesen des
Deutschen Reichs vom 28. Oktober 1871, vom 20. Dezember 1875 (R.-G.-Bl.
1875, S. 318), das sog. Eisenbahn-Postgesetz. Jedoch find die schon damals (am
1. Januar 1876) conceffionirten Eisenbahn-Unternehmen berechtigt, an Stelle der
in diesem Gesetze die ihnen in den Concessionsurkunden auferlegten Leistungen (oder
umgekehrt) zu gewähren (Art. 11 des Gesetzes vom 20. Dezember 1875). Art. 9
des Gesetzes vom 20. Dezember 1875 ermächtigt den Reichskanzler, für Eisenbahnen
mit schmalerer als der Normalspur und für Eisenbahnen untergeordneter Bedeutung
die Verpflichtungen für die Zwecke des Postdienstes zu ermäßigen oder ganz zu
erlassen. Von dieser Ermäßigung ist in den Bestimmungen vom 28. Mai 1879,
betreffend die Verpflichtungen der Eisenbahnen untergeordneter Bedeutung zu
1 Laband, II, S. 60. des Reichstages 1875/76, Bd. I, Nr. 4, S. 16, 17.
2 Abgedruckt als Anlage B zu den Motiven * Motive des Reichsgesetzes vom 20. Dezember
des Reichsgesetzes vom 2. Dezember 1875, Drucks. 1875, s. Anm. 1.
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