Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

294 Sechstes Buch. Verkehrswesen. 
gemeine Gefahr oder Noth“ vorliegt und der polizeilichen Aufforderung ohne er- 
hebliche eigene Gefahr genügt werden konnte ½. 
Verhältniß der Post zu den Absendern und Empfängern, 
sowie zu den Reisenden. 
Die Post schließt keine Verträge ab, weder mit dem Absender, noch mit dem 
Empfänger, noch mit dem Reisenden; sie erfüllt lediglich ihr auferlegte Pflichten, 
ähnlich wie das Gericht, wenn es eine Grundstücksauflassung vornimmt, ein 
Testament aufnimmt, ein Inventar, eine Taxe aufstellt u. s. w. Es gilt für das 
Verhältniß der Post zum Publicum lediglich öffentliches und nur öffentliches 
Recht. Die Vorschriften des Handels= oder des gemeinen Civilrechts kommen 
wenigstens seit dem Handelsgesetzbuch vom 10. Mai 1897 selbst subsidiär nicht zur 
Anwendung. 
Die Post hat einerseits nur die und andererfeits alle Pflichten bezüglich Be- 
förderung, Auslieferung und Ersatz, welche ihr im Postgesetze oder in Gemäßheit 
dieses Gesetzes auferlegt find. Sie muß daher auch die auf Grund § 50 des Post- 
gesetzes vom Reichskanzler erlassene Postordnung vom 11. Juni 1892 (Centralbl. 
1892, S. 428) befolgen, welche am 30. Januar 1895 (R.-C.-Bl. 1895, S. 29) 
und vom 18. Dezember 1898 (R.-C.-Bl. 1898, S. 481) Abänderungen erfahren 
hat. Die Postordnung gilt nicht für den inneren Verkehr in Bayern und 
Württemberg, dagegen auch für den Wechselverkehr dieser Staaten unter sich 
und mit dem übrigen Deutschen Reiche, sowie mit dem Auslande. Zuwiderhand- 
lungen gegen das Gesetz und die Postordnung geben Recht zur Beschwerde, aber 
keinen im Rechtswege verfolgbaren Entschädigungsanspruch. „Garantie“ leistet 
die Post nur in den gesetzlich vorgeschriebenen Fällen und nur in dem gesetzlich 
vorgeschriebenen Umfange. Sie haftet daher namentlich nicht für Verlust, Be- 
schädigung oder verzögerte Bestellung von gewöhnlichen Briefen, Postkarten, Kreuz- 
bandsendungen, Zeitungen, Muster= und Probesendungen. Sie leistet Ersatz (8 6 
des Postgesetzes) nur I. für den Verlust und die Beschädigung 1) der Briefe mit 
Werthangabe, 2) der Packete mit oder ohne Werthangabe, II. für den Verlust der 
recommandirten Sendungen. Die Garantiepflicht kann durch Verträge weder er- 
weitert, noch verringert, noch ausgeschlossen werden, unterliegt überhaupt nicht 
irgend welcher Vereinbarung. Dagegen kann, wenn der Fall der Garantieleistung 
eingetreten ist, ein Abkommen hinterher über deren Höhe abgeschlossen werden. 
Für einen Schaden, der durch verzögerte Beförderung oder Bestellung an 
Packeten mit oder ohne Werthangabe oder an Briefen mit Werthangabe verursacht 
ist, leistet die Postverwaltung nur dann Ersatz, wenn die Sache durch die verzögerte 
Beförderung oder Bestellung verdorben ist, oder ihren Werth bleibend ganz oder 
theilweise verloren hat. Die Verbindlichkeit der Postverwaltung zur Ersatzleistung 
fällt sort, wenn der Schaden durch die eigene Fahrlässigkeit des Absenders, ins- 
besondere durch sein postordnungswidriges Verhalten (bezüglich Adressirung, Auf- 
schrift, Verpackung u. s. w.) oder durch die unabwendbaren Folgen eines Natur- 
ereignisses, oder durch die natürliche Beschaffenheit des Gutes herbeigeführt wurde. 
Kommt die Sendung äußerlich unverletzt und mit dem bei der Einlieferung 
ermittelten Gewichte übereinstimmend an, so darf Garantie weder gefordert, noch 
geleistet werden (§ 7 des Postgesetzes, Satz 1). Wird die Sendung ohne Erinnerung 
angenommen, so kann die Vermuthung, daß sie unverletzt und vollwichtig aus- 
gehändigt ist, nur durch den Beweis des Gegentheils beseitigt werden. Bei Packeten 
ohne Werthangabe wird der erlittene unmittelbare Schaden, niemals der mittelbare 
Schaden oder der entgangene Gewinn und niemals mehr als drei Mark für je 
500 Gramm vergütet. Bei Verlust oder Beschädigung eines Theils der Sendung 
wird der wirkliche Schaden bis zum Betrage von drei Mark für je 500 Gramm 
der ganzen Sendung ersetzt. Für Einschreibesendungen wird dem Absender im Falle 
des vollständigen Verlustes, ohne Rücksicht auf den Werth der Sendung, ein Ersatz 
  
1abad, II. S. 74, Dambach, Comm. 2 Siehe über diese oben S. 193 f. und 203f.
	        
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