298 Sechstes Buch. Verkehrswesen.
der Verletzung des Postzwanges!. Er behandelt die Fälle der Post= und Porto-
defraudation vollständig. Die dort nicht unter Strafe gestellten Fälle von Post-
defraudationen find straffrei. Insbesondere finden die Vorschriften des Strafgesetz=
buchs über Betrug und Urkundenfälschungen keine Anwendung. Nur in dem Falle,
wenn wissentlich, Entwerthungszeichen vertilgt werden, kommt das Strafgesetzbuch
zur Anwendung. Das Delict der Post= und Portodefraudation setzt ein Verschulden
auf Seiten des Thäters voraus; es ist aber nicht dolus oder Fahrlässigkeit in der
juristisch-technischen Bedeutung erforderlich, vielmehr genügt Nachlässigkeit oder
Unachtsamkeit. Eigennützige Gesinnung ist nicht erforderlich, falls nur die Be-
förderung unter Verletzung des Postzwanges gewollt ist #. Der expresse Bote ist
daher strafbar, wenn er weiß oder wissen muß, daß er von Mehreren geschickt ist,
oder daß er für Mehrere postzwangspflichtige Gegenstände zurückbringt". Dagegen
ist, wer wegen Kurz= oder Schwachsichtigkeit bona fde abgestempelte Briefmarken
benutzt, straffrei. Rechtsirrthum entschuldigt nicht. Bestraft wird nach § 27 1) wer
dem Postzwange unterliegende Sachen, also Briefe oder politische Zeitungen, gesetz-
lichen Vorschriften zuwider auf andere Weise als durch die Post gegen Bezahlung
befördert oder verschickt; erfolgt die Beförderung in versiegelten, zugenähten oder
sonst verschlossenen Packeten, so trifft die Strafe den Beförderer nur dann, wenn er
den verbotswidrigen Inhalt des Packets zu erkennen vermochte. Bestraft wird
2) wer“ sich zu einer portopflichtigen Sendung einer, von der Entrichtung des
Portos ganz oder theilweise befreienden Bezeichnung bedient, oder eine solche Sendung
in eine andere verpackt, welche bei Anwendung einer vorgeschriebenen Bezeichnung
portofrei befördert wird. Drittens wird bestraft, wer inländische, am Aufgabeorte
geltende Postwerthzeichen nach ihrer Entwerthung zur Frankirung einer Sendung
doloser oder kulposer Weise benutzt. „Inwiefern in solchen Fällen," so heißt es in
§ 27, Ziff. 3, „wegen hinzugetretener Vertilgung des Entwerthungszeichens eine
härtere Strafe verwirkt ist, wird nach den allgemeinen Strafgesetzen beurtheilt" —
nämlich nach dem § 275, Ziff. 1 des Strafgesetzbuchs. Viertens wird bestraft, wer Briefe
oder andere (auch icht postzwangspflichtige) zur Beförderung durch die Post nicht
absolut ungeeignete Gegenstände einem Postbeamten oder Postillon zur absichtlichen
Umgehung der Zahlung an die Post zur Mitnahme übergiebt.
Die Strafe ist in allen diesen Fällen der vierfache Betrag des defraudirten
Portos, jedoch niemals weniger als drei Mark. Defraudirt, in den Fällen der Ziff. 1
und 4, ist das Porto, welches die frankirte Sendung gekostet hätte7; in den anderen
Fällen das der unfrankirten Sendung. Im Rückfalle wird die Strafe verdoppelt und bei
ferneren Rückfällen auf das Vierfache erhöht (§5 28 des Gesetzes über das Postwesen).
Je nach der hiernach (§§ 27, 28) bestimmten Höhe liegt der Thatbestand
eines Vergehens oder einer Uebertretung vor (Strafgesetzbuch 8 1). Im letzteren
(regelmäßigen) Falle sind daher der Versuch einer Portodefraudation und die Theil-
nahme als Gehülfe straffrei (Strafgesetzbuch §§ 43, 44, 49). Die allgemeine Ver-
jährungsfrist (Strafgesetzbuch § 67) kommt nicht zur Anwendung, vielmehr beträgt
die Verjährungsfrist für Post= und Portodefraudationen drei Jahre (§ 7 Ein-
führungsgesetz zum Strafgesetzbuch). Die Verjährung wird durch jede richterliche
Handlung (Strafgesetzbuch § 68) und den Strafbescheid (nicht durch eine andere
Handlung) der Postbehörde (Strafprozeßordnung § 459, Abs. 3) unterbrochen.
Wer wissentlich, um der Postkasse das Personengeld zu entziehen, also in frau-
duloser Absicht, uneingeschrieben mit der Post reist s, wird mit dem vierfachen Be-
trage des defraudirten Personengeldes, jedoch niemals unter einer Geldstrafe von
Einem Thaler bestraft (§ 29 des Postgesetzes).
1 Vgl. Drucksachen des Reichstages, I. Sess. 5 Auch ein Beamter, wenn er dies zu seinem
1800 Nr. 242, S. 2. Privatvortheil thut.
: Bal. Reichsstrafgesetzbuch l275,. Ziffer 1 * Entsch. des Reichsger. in Straff., Bd. X
bis 5 vgl. auch Entsch. in Straff., Bd. II.,. 45.
S. 405. 7 Erk. des Reichsger. v. 27. September 1886,
2 Entsch. des Reichsger. in Straff., Bd. III, Entsch. in Straff., Bd. XIV, S. 332.
S. 300 ezw. Jemanden, 3. B. ein Kind, in solcher
S P46% Entsch. des Reichsger. in Straff., Bd. II absict — mitnimmt.