§ 34. Postwesen. 299
Neben dieser Strafe find das defraudirte Porto oder Personengeld an die Post
zu entrichten (§ 30). Die Einziehung liegt der Postbehörde ob; vom Gerichte,
bezw. im Strafbescheide (siehe weiter unten) ist darauf nicht zu erkennen 1.
Im Falle der Uneinziehbarkeit der Geldstrafe tritt die vom Gericht fest-
zusetzende Haft-= (nie Gefängniß-) Strafe ein, die sechs Wochen nicht übersteigen
darf (§ 31). Die Geldstrafen, auch die von Gerichten erkannten, fließen nicht zur
allgemeinen Staatskasse, sondern stets zur Postarmen= und Unterstützungskasse
(§ 33). Die Postbehörden und Postbeamten, welche eine Defraudation entdecken,
sind befugt, die dabeie vorgefundenen Briefe oder anderen Sachen, welche Gegen-
stand der Uebertretung find, in Beschlag zu nehmen und so lange ganz oder theil-
weise zurückzuhalten, bis entweder die defraudirten Postgefälle, die Geldstrafe und
die Kosten gezahlt oder durch Caution sichergestellt sind (§ 32). Diese Vorschrift
gilt noch, da sie durch § 5 des Einführungsgesetzes zur Strafprozeßordnung aufrecht-
erhalten ist. Das Recht, solchergestalt beschlagnahmte Briefe zu öffnen, ist in § 32
nicht enthalten und steht daher nur dem Gerichte zu.
Das gleichfalls durch § 5 des Einführungsgesetzes zur Strafprozeßordnung
aufrechterhaltene besondere administrative Strafverfahren bei Post= und Porto-
defraudationen (8§ 34 bis 46 des Gesetzes über das Postwesen) soll dem An-
geschuldigten das Recht geben, durch Zahlung der verwirkten Strafe sich einem
gerichtlichen Verfahren zu entziehen. Dieses Recht erlangt der Angeschuldigte nur
durch Zahlung der Strafe ohne Einrede (§ 34), d. h. ohne jeden Vorbehalt, also
auch nicht unter der Betheuerung seiner Unschuld S. Bei Angeschuldigten unter
18 Jahren ist das administrative Strafverfahren ausgeschlossen, da es der richter-
lichen Feststellung bedarf, ob der Thäter bei Begehung der Tefraudation die zur
Erkenntniß ihrer Strafbarkeit erforderliche Einsicht besessen hat (Strafgesetzbuch § 56,
Abs. 1). Nimmt die Verwaltungsbehörde an, daß diese Einsicht gefehlt hat, so kann
sie von jedem Strafverfahren absehen.
Das administrative Strafverfahren beginnt damit, daß die Ober-Postdirection
(in Bayern das Ober-Postamt, in Württemberg die Generaldirection der Posten
und Telegraphen) dem Angeschuldigten mittelst besonderer Verfügung eröffnet,
welche Geldstrafe von ihm verwirkt zu erachten sei, und ihm hierbei freistellt, das
fernere Verfahren und die Ertheilung eines Strafbescheides durch Bezahlung der
Strafe und Kosten innerhalb der präclusivischen Frist von zehn Tagen zu ver-
meiden. Leistet der Angeschuldigte hierauf die Zahlung ohne Einrede, so gilt die
Verfügung als rechtskräftiger Strafbescheid. Geschieht dies nicht, so kann die Post-
behörde, solange noch kein Strafbescheid erlassen ist, die Sache an das Gericht,
bezw. die Staatsanwaltschaft abgeben. Die Abgabe an das Gericht muß erfolgen,
wenn der Angeschuldigte während des administrativen Verfahrens und noch während
zehn Tagen nach Eröffnung des abgefaßten Strafbescheides bei der Postbehörde
darauf anträgt, oder wenn er auf die Vorladung der Postbehörde nicht erscheint
oder die Auslassung vor dieser überhaupt verweigert. Die Abgabe an das Gericht
auch ohne directen oder indirecten Antrag des Angeschuldigten ist nöthig, wenn es
zur Ermittelung des Thäters oder zur Feststellung des Thatbestandes eidlicher
Zeugenvernehmungen bedarf. Wird die Sache an das Gericht abgegeben, so
kommt Buch 6, Abschnitt 3 der Strafprozeßordnung vom Verfahren bei Zuwider-
handlungen gegen die Vorschriften über die Erhebung öffentlicher Abgaben und
Gefälle zur Anwendung. Hat einerseits die Postbehörde die Sache noch nicht an
das Gericht abgegeben und der Angeschuldigte andererseits diese Abgabe nicht
beantragt, so wird eine summarische Untersuchung von der Postbehörde geführt.
Auch Zeugen können vernommen werden; sie find verpflichtet, der Ladung Folge
zu geben; fie können auch, wenn sie unentschuldigt ausbleiben, auf Ersuchen der
Postbehörde vom Amtsgericht gemäß § 50 der Strafprozeßordnung bestraft
werden; indeß ist die Postbehörde weder befugt, fie eidlich zu vernehmen, noch
1 Entsch. des Reichsger. in Straff., Bd. III, 5 300, Dambach, S. 174; anderer Ansicht
S. 300. Diese Forderung unterliegt der ein- Laband, II, S. 96. Die Post darf von einem,
jährigen ——— nach § 7 5 1sttaxgesetzes. ber dich als unschuldig actenmäßig bezeichnet,
Motive S Dambach 127. Geld ohne förmliche Untersuchung nicht an-
2 Entsch. des Reichsger. in dirci. Bd. III, Geloeo“