Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

9 36. Eisenbahnwesen. 307 
nur soweit, wie es die Anlegung und Betreibung der Eisenbahn erfordert, 
beeinträchtigt werden sollen 1. Das Reich kann die Eisenbahn mit dem Rechte aus- 
statten, nach Maßgabe des in dem Bundesstaate geltenden Enteignungsrechts den 
Erund und Boden auch gegen den Willen der Eigenthümer und Besitzer zu 
erwerben. 
Das Reich kann auch das Enteignungsrecht für den Einzelfall unmittelbar 
in dem Gesetze regeln . Abs. 2 in Art. 41 der Reichsverfassung verpflichtet jede 
bestehende (Staats= oder private) Eisenbahnverwaltung, sich den Anschluß neu 
angelegter Eisenbahnen auf Kosten der letzteren gefallen zu lassen. Diese Vorschrift 
giebt das Recht, die Ueberführung des rollenden Materials zu verlangen und 
die dazu erforderlichen Anlagen auf dem Eigenthume der anderen Bahn herzustellen 8. 
Das Recht, die Mitbenutzung einzelner Strecken, Bahnhöfe zu verlangen, ist darin 
nicht enthalten", auch nicht das Recht, die Concession zur Herstellung und zum 
Betriebe von Anschlußbahnen zu verlangen ; denn nur der Anschluß einer an- 
gelegten Eisenbahn, nicht die Concession einer anzulegenden Anschlußbahn wird 
zugestanden. 
Abs. 3 in Art. 41 der Reichsverfassung bestimmt endlich, daß die gesetzlichen 
Bestimmungen, welche bestehenden Eisenbahn-Unternehmungen ein Widerspruchsrecht 
gegen die Anlegung von Parallel= oder Concurrenzbahnen einräumen ", „unbeschadet 
bereits erworbener Rechte“ für das ganze Reich aufgehoben und daß ein solches 
Widerspruchsrecht auch in den künftig zu ertheilenden Concessionen nicht weiter 
verliehen werden kann. Als bereits erworben können die Rechte nur gelten, wenn 
sie durch Vertrag oder Privileg erworben find, nicht aber, wenn fsie nur auf all- 
gemeinen gesetzlichen Vorschriften beruhen ?7. 
Art. 41 gilt in seinem ganzen Umfange auch für Bayern. 
Weit wichtiger, sogar von der allerwichtigsten Bedeutung für das Eisenbahn- 
und Eisenbahntransportrecht find die Vorschriften in den Art. 42—45 der Reichs- 
verfassung: 
Art. 42: „Die Bundesregierungen verpflichten sich, die Deutschen 
Eisenbahnen im Interesse des allgemeinen Verkehrs wie ein einheitliches Netz 
verwalten und zu diesem Behuf auch die neu herzustellenden Bahnen nach 
einheitlichen Normen anlegen und ausrüsten zu lassen."“ 
Art. 43: „Es sollen demgemäß in thunlichster Beschleunigung über- 
einstimmende Betriebseinrichtungen getroffen, insbesondere gleiche Bahnpolizei- 
Reglements eingeführt werden. Das Reich hat dafür Sorge zu tragen, daß 
die Eisenbahnverwaltungen die Bahnen jederzeit in einem die nöthige 
Sicherheit gewährenden baulichen Zustande erhalten und dieselben mit Be- 
triebsmaterial so auszurüsten, wie das Verkehrsbedürfniß es erheischt."“ 
Art. 45: „Dem Reiche steht die Kontrole über das Tarifwesen zu. 
Dasselbe wird namentlich dahin wirken: 
1) daß baldigst auf allen Deutschen Eisenbahnen übereinstimmende Be- 
triebsreglements eingeführt werden;" 
  
1 Ebenso Seydel, Comm., S. 269. 
:* Das Reich ist nach Art. 4, Ziff. 8 zu- 
ständig, ein allgemeines Eisenbahnenteignungs- 
Lieh gꝛ erlassen; siehe auch Seydel, Comm., 
*# Vgl. hierzu Seydel, Comm., S. 271. 
4* Laband, II, S. 106. 
* Anderer Ansicht Laband, II, S. 107; vgl. 
auch mi-- Comm., S. 270 f. 
Solche sind z. B. in § 44 des preußischen 
Eisenbahngesetzes vom 3. November 1838 (G.-S. 
1838, S. 504) enthalten. 
* Der gleichen Ansicht Laband, II, S. 204, 
anderer Meinung Seydel, Comm., S. 271f., 
Löning, Verwaltungsrecht, S. 621, Anm. 3. 
  
Die Frage hat meiner Meinung nach kaum 
praktische Bedeutung, da wohl ausnahmslos in 
den Concessionen das Privileg ertheilt ist. Für 
die im Terte vertretene Ansicht spricht ent- 
scheidend, daß Michaelis, der im Auftrage 
von „Mitgliedern der verschiedensten politischen 
ichtun en“ die Fassung der Eisenbahnartikel 
41 ff. Formulirt und namentlich Abs. 3 in 
Art. 41 beantragt hat, zur Begründung an- 
führte (Sten. Ber. des verfassungsberathenden 
nordd. Reichstages S. 504), daß dieser Jusat 
„die bestehenden Verbote der Parallel-- 
bahnen aufhebt und die Wiedereinführung 
derfelben verbietet.“ 
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