Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

312 Sechstes Buch. Berkehrswesen. 
gefährlicher Gegenstände betrafen, konnte ihre Befolgung nur durch Androhung 
gerichtlicher Strafen gesichert werden !; deshalb schien es nach Lage der älteren 
preußischen Gesetzgebung nothwendig, daß fie unter Mitwirkung des Ministers 
des Innern erlassen wurden. Die Art. 42 ff. der Reichsverfassung setzen an die 
Stelle der Landes-Centralbehörden in allen diesen Fällen den Bundesrath. Der 
Ausdruck „eingeführt werden“ in Art. 43 erklärt sich auch daraus, daß die Hand- 
habung der Eisenbahnpolizei, also auch die Einführung der Eisenbahnpolizei- 
reglements, nicht durch die Staatsorgane, sondern die Eisenbahnen selbst geschieht. 
Die Eisenbahnen üben nämlich selbst die Bahnpolizei aus. Die Eisenbahnpolizei- 
beamten, obwohl sie lediglich von den Unternehmern angestellt find, haben in Bezug 
auf die Handhabung der Eisenbahnpolizei die Rechte und Pflichten der öffentlichen 
Beamten. Widerstand gegen sie ist Widerstand gegen die Staatsgewalt. Sie 
dürfen die geeigneten Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Bahnpolizei ergreifen, 
z. B. Contravenienten zwangsweise aussetzen, entfernen u. s. w. Dieser Rechtszustand 
gilt fort (§ 63 der Betriebsordnung für die Haupteisenbahnen Deutschlands vom 
5. Juli 1892, R.-G.-Bl. 1892, S. 691 ff.). 
Die den Eisenbahngesellschaften zu machenden Auflagen sicherheitspolizeilicher 
Art sind verschieden, je nach dem Grade der Fahrgeschwindigkeit und des Ver- 
kehrs. Hierauf und hierauf allein gründet sich, daß für Haupt= und Neben- 
bahnern verschiedene polizeiliche Bestimmungen vom Minister, bezw. Bundesrathe 
erlassen find v. 
Da ferner die Eisenbahnen dem Verkehre dienen sollen und da fie ferner, wenn 
auch kein rechtliches, so doch häufig ein thatsächliches Beförderungsmonopol hatten 
und haben, so erschien es der Gesetzgebung nothwendig, die Vertragsfreiheit der 
Eisenbahnen in der Annahme oder Ablehnung von Beförderungen in den Verein- 
barungen über Garantieleistung und in anderen Rücksichten einzuschränken ". Diese 
Einschränkungen erfolgten theils im Eisenbahngesetz, theils durch Verordnungen, 
welche unter dem Namen von Betriebsreglements durch die Centralbehörden erlassen 
wurden S. Die Reglements enthielten im Allgemeinen nicht dem Publicum, sondern 
nur den Eisenbahnen gegenüber zwingende Normen: Ihr sollt der Reihe nach 
befördern, Niemanden begünstigen (Refactienverbot!), ihr sollt gewisse Gegenstände 
von der Beförderung unbedingt oder bedingt ausschließen, ihr sollt in gewissen 
Fällen eure Haftung für Verlust, Beschädigung und Verspätung nicht oder nur 
beschränkt ausschließen #. Dagegen wollten und sollten die Reglements das Publicum 
nicht hindern, sich günstigere Garantiebedingungen auszumachen. Insoweit enthielten 
sie dem Publicum gegenüber keine Rechtsnormen, wohl aber, insoweit fie z. B. 
dem Publicum bei Strafe verboten, feuergefährliche Gegenstände, geladene Gewehre 
und dergl. bei sich zu führen. Das Recht des Publicums, günstigere Garantie- 
bedingungen zu vereinbaren, konnte bei dem thatsächlichen Monopol der Eisenbahnen 
nicht praktisch nutzbar gemacht werden. Das Publicum mußte die Bedingungen 
acceptiren, die ihm die Eisenbahngesellschaften stellten, und diese Gesellschaften gingen 
mit dem Ausschluß ihrer Haftung bis an die Grenzen des ihnen in den Reglements 
Erlaubten. Auch die Handelsgesetzgebung des Jahres 1861 bestrebte sich, das 
Publicum gegen die wirthschaftliche Uebermacht der Eisenbahnen zu schützen, und 
bezeichnete ihrerseits Fälle, in denen diese die Beförderung und ihre Haftung nicht 
  
  
—. 
1 Vgl. z. B. 53 ff. der Betriebsordnung 
u. s. w. vom 5. Juli 1892 (R.-G.-Bl. 1892, 
S. 691 ff.). 
gesetzes vom 3. November 1838. 
* Die Reglements des Handelsministers 
vom 18. Juli 1853, 5. Januar 1861, 22. April 
Bgl. Staatsministerialbeschluß vom 7. Jan. 
1845 (Justizministerialblatt 1845, S. 34) und 
Erk. des Ober-Tribunals vom 6. März 1856 
und 16. Juli 1857 (I. c. 1856, S. 153, und 
1857, S. 378). 
2 Die Betriebsordnung für Nebenbahnen 
datirt gleichfalls vom 5. Juli 1892 und ist im 
R.-G.-Bl. 1892, S. 764 ff. abgedruckt. 
4 Zu vgl. 9§ 26 ff., 48, 49 des Eisenbahn- 
  
1861, 17. Februar 1862, 3. September 1865 
(Min.-Bl. f. d. innere Verwaltung 1853, S. 207, 
1861, S. 23, 1861, S. 87, 1862, S. 91, 1865, 
S. 251). Z 
Die Detriebereglements stellen nicht die 
Bethätigung der Vertragsfreiheit dar, 
sondern schließen diese, den Eisenbahngesell- 
schaften gegenüber, gerade umgekehrt aus.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.