Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

326 Siebentes Buch. Finanzwesen. 
Daß der Staatshaushaltsetat nur interne Bedeutung hatte, daß er in Bezug 
auf die Einnahmen nur einen Wirthschaftsplan, in Bezug auf die Ausgaben die 
den Behörden vom Könige ertheilte, nur dem Könige gegenüber verbindliche Be- 
schränkung bildete, beweist noch der Umstand, daß die Vertretungsbesugnisse der 
Behörden nach Außen hin nicht durch die Etats, sondern durch besondere Gesetze 
geregelt waren und geregelt find. 
In unzähligen Malen ist im absoluten wie im constitutionellen Staate Preußen 
Streit über die Auslegung und Ausführung der vom Fiskus abgeschloffenen 
Rechtsgeschäfte, über Rechte und Pflichten des Staates aus Zuständen oder aus 
Delicten seiner Beamten entstanden und zur gerichtlichen Entscheidung gebracht 
worden; vergebens aber würde man in allen Entscheidungen der Gerichtshöfe 
oder in den Acten der Verwaltungsbehörden den Einwand suchen, das ab- 
geschlossene Rechtsgeschäft oder der erhobene Anspruch sei ganz oder theilweise un- 
gültig oder nicht einklagbar, weil dafür keine oder eine niedrigere Summe im Etat 
ausgeworfen war. 
Das vorconstitutionelle Etatsrecht ist im Vorstehenden noch nicht erschöpfend 
vorgeführt worden. Zur Vervollständigung ist erforderlich, auf diejenigen gesetz- 
lichen Einrichtungen einzugehen, welche nicht bloß der Ober-Rechnungskammer, 
deren Instructionen den Landesbehörden früher nicht bekannt gegeben waren, sondern 
allgemein die rechtliche Bedeutung der Etats klarlegten. Diese Einrichtungen find 
hauptsächlich in der Verordnung vom 27. Oktober 1810 und in der Regierungs- 
instruction vom 23. Oktober 1817 getroffen worden. Der König setzt den General- 
etat und die Hauptetats fest, die Minister sollen nur mit Königlicher Genehmigung 
die Hauptetats und die Provinzialbehörden nur mit ministerieller Genehmigung 
die Specialetats in der Ausgabe überschreiten dürfen. Innerhalb ihrer Ver- 
waltungszweige und Zuständigkeitsverhältnisse sollen sie möglichst hohe Einnahmen 
erzielen, Ausgaben dürfen fie nur innerhalb der Grenzen des bestätigten Etats und 
auch hier nur haushälterisch und unter Vermeidung alles Ueberflüssigen und Un- 
nöthigen machen. Zu außeretatsmäßigen Ausgaben und Etatsüberschreitungen be- 
dürfen sie höherer Genehmigung 1. 
Nun schreibt die Preußische Verfassungsurkunde vor, daß der Staatshaushalts- 
etat nicht mehr, wie nach der Verordnung vom 27. Oktober 1810 vom Könige, 
sondern durch Gesetz, also mit Zustimmung des Landtages erfolgen soll. Diese Zu- 
stimmung ist nach dem Wortlaute der Verfassung für alle Ausgaben und Ein- 
nahmen, d. i. für den ganzen Etat, also auch für die Haupt= und Specialetats 
nothwendig. Die Verfastung ändert den Rechtszustand insoweit ab, nicht weiter. 
Ein Anderer ist es, welcher den Etat festzusetzen hat; der Etat 
selbst ist aber kein anderer geworden; er ist nach wie vor nur 
Gesetz für die Behörden des Staates, nicht Gesetz für die Unter- 
thanen, weil er für diese nicht Gesetz sein will, nicht Gesetz sein 
soll. Die Minister und die übrigen Behörden müssen den Etat befolgen; sie 
müssen sich mit ihren Ausgaben innerhalb desselben bewegen. Dieser Satz ist zwar 
nicht ausdrücklich in der Verfassung ausgesprochen, doch folgt er aus dem älteren 
Rechte (u. A. Verordnung vom 27. Oktober 1810), welches die Verfassung nicht 
abgeändert hat. Die Rechtsverhältnisse des Staates zu seinen Gläubigern und 
Schuldnern regelt das Etatsgesetz nach der Verfassung so wenig wie vor derselben 7. 
Wollte die Verfassungsurkunde in Abänderung des bisherigen 
Rechtszustandes bestimmen, daß Einnahmen und Ausgaben über, außer oder 
gegen den Etat nichtig sein sollten, so hätte sie dies ausdrücklich thun müssen. 
Sie hat dies nicht gethan, auch nicht thun können, weil Etatsüberschreitungen gar 
  
1 Siehe u. A. §§ 20, 21 der Regierungs-a. a. O. S. 162, hebt den Zusammenhang mit 
instruction vom 23. Oktober 1817. Den Mi= dem vorconstitutionellen Rechte hervor, ohne 
nistern ist die Innehaltung des Etats auch indeß letzteres zu entwickeln. Eine Ausführungs- 
in der vorcitirten Cabinetsordre vom 17. Januar norm, wie Gneist behauptet, ist der Etat aber 
1820 zur Pflicht gemacht worden. Z weder früher, noch jetzt gewesen. 
2 Gneist, Gesetz und Budget, Berlin 1879,
	        
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