Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

28 Erstes Buch. Entstehnug des heutigen Deutschen Reiches. 
vorangehen. Es sollte ein gemeinsames Indigenat bestehen. Den Oberbefehl über 
das Heer in Norddeutschland sollte Preußen, in Süddeutschland Bayern führen. 
Die Kriegsmarine sollte eine einheitliche unter preußischem Oberbefehl sein. Der 
Bund sollte ein einheitliches Zoll= und Handelsgebiet darstellen. Preußen sollte 
das Bundespräsidium führen, die Vertretung des Bundes nach außen, das Recht 
haben, Krieg zu erklären und Frieden zu schließen, die Berufung und Schließung des 
Bundesrathes und Reichstages, die Aufrechterhaltung der Ordnungen des Bundes, 
nöthigenfalls im Wege der Execution. Die Gesetzgebung sollte durch den Bundesrath (die 
Vertretung der Staaten in der Stimmenzahl des Deutschen Bundes) und einen 
Reichstag erfolgen, welcher letztere nach Maßgabe des Wahlgesetzes vom 12. April 
1849 gewählt werden sollte. Mit dem Anerbieten eines solchen neuen Bundes 
wandte sich Preußen am 16. Juni an die Unionsverbündeten von 1849 mit Aus- 
nahme von Hessen, Nassau und Baden. Dieses Anerbieten wurde von Hannover, 
Sachsen, Kurhessen, Meiningen und Reuß ä. L. abgelehnt, von den übrigen an- 
genommen. Doch nahmen auch Sachsen, Meiningen, Reuß 4ä. L. und Hessen- 
Darmstadt für die nördlich des Mains gelegenen Landestheile den Bündnißvertrag 
vom 18. August 1866 in den Friedensschlüssen an. An diesem Tage unterzeichneten 
in Berlin Sachsen-Weimar, Oldenburg, Braunschweig, Sachsen-Altenburg, Sachsen- 
Coburg-Gotha, Anhalt, Schwarzburg-Sondershausen, Schwarzburg-Rudolstadt, 
Waldeck, Reuß j. L., beide Lippe, Lübeck, Bremen und Hamburg den Bündniß- 
vertrag: Die sämmtlichen Contrahenten schließen ein Offensiv= und ein Defenfiv- 
bündniß, sie unterstellen ihre Truppen dem Oberbefehl des Königs von Preußen 
und verpflichten sich, die Zwecke des Bundes durch eine Bundesverfassung sicher zu 
stellen. Für diese follen die preußischen „Grundzüge“ vom 10. Juni 1866 die 
Grundlage bilden; die Verfassung soll unter Mitwirkung eines gemeinschaftlich 
zu berufenden Parlaments festgestellt werden. Sie versprechen gleichzeitig, mit 
Preußen auf Grund des Reichswahlgesetzes vom 12. April 1849 Wahlen anzu- 
ordnen und Bevollmächtigte nach Berlin zu senden, um nach Maßgabe der Grund- 
züge vom 10. Juni den Entwurf der Verfasfung festzustellen, welcher dem Parla- 
mente zur Berathung und Vereinbarung vorgelegt werden soll. Am 21. August 
1866 traten auch beide Mecklenburg unter Vorbehalt der am 14. October 1866 er- 
solgten Zustimmung ihrer Stände, am 8. September das Großherzogtum Hessen für 
Oberhessen, 26. September Reuß ä. L., 8. October Sachsen-Meiningen und am 
21. October 1866 das Königreich Sachsen dem Bündnißvertrage bei. 
Man“ bezeichnet den Bündnißvertrag vom 18. August 1866 als die völkerrechtliche 
Grundlage für die Errichtung des Norddeutschen Bundes, was nicht unrichtig ist; denn 
Preußen konnte jeden Staat, der sich gegen den Inhalt des Vertrages weigerte, seine 
Truppen unter den preußischen Oberbefehl zu stellen oder die Wahlen zu einem Parlamente 
vornehmen zu lassen, wegen indniserletung mit Gewalt dazu zwingen. Aber 
eine solche völkerrechtliche Uebereinkunft enthielt wohl für die Regierungen, 
aber nicht für das deutsche Volk eine unmittelbar rechtsverbindliche Anordnung. 
Denn ohne Landesgesetz, ohne Zustimmung des Landtages, konnte z. B. für Preußen 
rechtswirksam nicht vorgeschrieben werden, daß Preußen in Zukunft auch für sächfische 
oder mecklenburgische Truppen mitzahlen oder daß über Steuern und Heereslasten 
nicht mehr der preußische Gesetzgeber, sondern ein anderer entscheiden sollte. Die 
preußische Staatsregierung suchte die Zustimmung des Landtages in der Form 
nach, daß sie den „Entwurf eines Wahlgesetzes für den Reichstag des Norddeutschen 
Bundes"“ am 13. August 1866 vorlegte und darin forderte, daß der preußische 
Gesetzgeber den zu erwählenden Reichstag ermächtigen, d. h. ihm seine Gesetz- 
gebungsbefugniß insoweit delegiren, sollte, daß er die Verfassung für den Nord- 
deutschen Bund mit den Regierungen vereinbaren (estsetzen) durfte. Das 
preußische Abgeordnetenhaus (und ihm folgend die Landtage in den übrigen deutschen 
Staaten) wollten jedoch die Befugniß zur Vereinbarung nicht übertragen, 
sondern nur die (auch ohne ihre Uebertragung vorhandene) Befugniß, zu berathen 
  
1 Laband, Reichsstaatsrecht, I, § 2, S. 16. 2 Anlagen Bd. 1, S. 22, Nr. 10 zu den 
Sten. Ber. d. Abgeordnetenh. 1861.
	        
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