8 38. Die Zölle. 361
Reiche zugestanden ist. Die vorcitirten Absätze 2, 3 und 4 in Art. 5 des Ver-
trages vom 8. Juli 1867 beziehen sich nur auf das Verhältniß des Nord-
bundes zu den Südstaaten, find also nach Entstehung des Deutschen Reiches
hinfällig geworden 1. Daraus ergiebt sich, daß höchstens aus Abs. 5 eine solche
Berechtigung gefolgert werden könnte 2, welcher lautet: „Die vertragenden Theile
räumen sich ferner auch gegenseitig das Recht ein, zur Abwehr gefährlicher, an-
steckender Krankheiten für Menschen und Vieh die erforderlichen Maßregeln zu er-
greisen. Im Verhältnisse von einem Vereinslande zu dem anderen dürfen jedoch
keine hemmenderen Einrichtungen getroffen werden, als unter gleichen Umständen
den inneren Verkehr des Staates treffen, welcher sie anordnet.“ Daraus folgt, daß,
wenn z. B. in Hamburg die Cholera ausgebrochen ist, der freie Verkehr von
Menschen und Gütern aus Hamburg nach Holstein, Hannover u. s. w. von den
preußischen Behörden verboten oder beschränkt werden kann, trotz der in Art. 33
gewährleisteten Verkehrsfreiheit und trotz der Freizügigkeit. Dagegen räumt Abf. 5
den Einzelstaaten nicht die Befugniß ein, die Einfuhr von Wild zur Schonzeit aus
jagd polizeilichen Gründen zu verbieten, sei dies aus dem Zollauslande oder aus
einem anderen Bundesstaate; folglich kann eine solche Befugniß nicht anerkannt
werden 2. Aus jagdpolizeilichen Gründen kann nicht einmal das Reich solche
Verbote erlassen (§§ 1 und 2 des Vereinszollgesetzes). Wenn aus sanitär= oder
veterinärpolizeilichen Gründen die Verkehrsfreiheit zwischen den verschiedenen Bundes-
staaten beschränkt oder aufgehoben wird, so soll es dabei nur auf die Verhütung
der Ansteckung (nicht etwa auf Begünstigung etwa der preußischen auf Kosten der
hamburgischen Production) ankommen, und es sollen dabei nicht grundsätzlich
außerpreußische Reichsangehörige oder außerpreußisches Vieh in Preußen ungünstiger
oder strenger behandelt werden als preußische. Preußen kann also, wenn in Ham-
burg die Cholera ausgebrochen ist, von dem Verbote der Einfuhr in Hamburg
befindlicher Waaren nicht die den preußischen Unterthanen gehörigen ausnehmen,
es darf auch aus Hamburg fortreisende Hamburger, Bayern, Sachsen nicht strenger
behandeln als von dort fortreisende Preußen (z. B. einer längeren Internirung,
einer genaueren ärztlichen Untersuchung unterwerfen). Insoweit ist daher Abf. 5
des Art. 4 in Geltung geblieben.
Ein Recht, gegen das Ausland aus sanitären oder veterinärpolizeilichen Gründen
Verbote der Ein= oder Ausfuhr von Waaren aller Art zu treffen, giebt Abs. 5 den
Bundesstaaten nicht. Er spricht nur von gegenseitigen Rechten der Bundes-
staaten unter einander. Dagegen haben andere Reichsgesetze, z. B. vom 7. April 1869
(B.-G.-Bl. 1869, S. 105), §§ 1, 2, 9, 10, vom 1. Mai 1894 (R.-G.-Bl. 1894,
S. 410), §8 6 ff., bei Rinderpest, und vom 23. Juni 1880 (R.-G.-Bl. 1880,
S. 153) bei Viehseuchen den Einzelstaaten die Befugniß ertheilt, alle zur Ver-
hütung und Abwehr solcher Krankheiten erforderlichen Maßnahmen, auch Verbote
der Einfuhr, ohne Rücksicht auf die Herkunft der Thiere, zu erlassen. Deshalb
muß insoweit, trotz der Vorschriften in den Art. 33 und 35 der Reichsverfassung
und in den §§ 1 und 2 des Vereinszollgesetzes, die Befugniß der Einzelstaaten,
Einfuhrverbote in solchen Fällen zu erlassen, anerkannt werden. Wo eine solche
specielle Ermächtigung fehlt, z. B. wenn es sich handelt um die Abwehr von
Menschenkrankheiten durch das Verbot, Lumpen, Kleider aus Asien ein-
zuführen, oder um die Abwehr von Viehkrankheiten durch das Verbot, Futtermittel
einzuführen, kann nur das Reich solche Verbote erlassen "#. Selbstredend kann das
Reich auch in den Fällen, wo auf Grund der vorbezeichneten Sondergesetze die
Einzelstaa ten Einfuhrverbote erlassen, auch seinerseits solche gegen das Ausland
erlassen (I 2 des Vereinsgzollgesetzes).
§ 2 des Vereinszgzollgesetzes bezieht sich nicht auf den Personen -, sondern
auf den Waarenverkehr, giebt also dem Reiche nicht die Befugniß, in Fällen
1 Dies erkennt an sich auch Seydel, Comm., del, deren Ansicht auch mit der Praxis in
229, an. Widerspruch steht.
2 Anficht von Seydel und G. v. Mayr. 4 Ebenso Delbrück, S. 23ff., G. Meyer,
* Anderer Ansicht G. v. Mayr und Sey= Verwaltungsrecht, II, S. 326.