Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

372 Siebentes Buch. Finanzwesen. 
begangen werden, deren Einfuhr nicht verboten ist. Es wird also die Defraudation 
durch die Contrebande ausgeschlossen 1, indeß nicht durch die Vergehen gegen die 
88 327, 328 des Strafgesetzbuchs oder das Gesetz, Maaßregeln gegen die Rinder- 
pest betreffend, vom 7. April 1869 (B.-G.-Bl. 1869, S. 105), wenn es sich dabei 
um andere Maßregeln, wie um Ein= oder Ausfuhr verbote handelt. Defraudation 
liegt auch vor, wenn eine Waare mit unrichtiger Declaration der Zollbehörde zur 
Revision vorgeführt wird?", oder wenn die Zollkasse durch falsche Vorspiegelung 
veranlaßt worden ist, einen Theil des hinterlegten Zollbetrages zurückzuzahlen . 
Die Strafe für die Defraudation ist die Confiscation der Gegenstände, in Bezug 
auf welche das Vergehen verübt ist, auch wenn diese Gegenstände einem Dritten 
gehören, auch sogar, wenn sie einem Dritten gestohlen sind", selbst wenn dieser an 
der Defraudation oder der Contrebande gar nicht betheiligt ist (§ 154 des Vereins- 
zollgesetzes). Eine Ausnahme findet statt, wenn die Defraudation oder Contrebande 
von dem bekannten Frachtfuhrmann oder Schiffer, welchem der Transport allein 
anvertraut war, ohne Theilnahme oder Mitwissen des Eigenthümers oder des in 
dessen Namen handelnden Befrachters verübt worden ist, und der Waarenführer 
nicht zu denjenigen Personen gehört, für welche der Eigenthümer oder der Be- 
frachter nach Vorschrift des § 1550 subsidiarisch verhaftet ist. In diesem Falle 
tritt statt der Confiscation die Verpflichtung des Waarenführers ein, den Werth 
jener Gegenstände zu entrichten? (§ 154 des Vereinszollgesetzes). In allen Fällen, 
in denen die Confiscation selbst nicht vollzogen werden kann, der Gegenstand also 
nicht zu erlangen ist 8, wird statt derselben auf Erlegung des Werthes des oder der 
Gegenstände und wenn dieser nicht zu ermitteln ist, auf Zahlung einer Geldsumme 
von 75 bis 3000 Mark erkannt. 
Neben der Confiscation ist bei der Defraudation eine dem vierfachen Betrage 
der vorenthaltenen Abgaben gleichkommende Geldstrafe verwirkt. Die Strafe kann 
niedriger als eine Mark sein, in welchem Falle eine Haftstrafe subsidiär nicht zu 
erkennen ist 10. Die Entscheidung der Zollbehörde über Zollpflichtigkeit eines Gegen- 
standes ist nicht bindend für den erkennenden Strafrichter 11, da dieser alle zur Straf- 
barkeit erforderlichen Thatbestandsmerkmale selbst und unabhängig festzustellen hat. 
Auch ist anzunehmen, daß der Richter bezüglich der Frage, unter welche Nummer des 
amtlichen Waarenverzeichnisses ein an sich zollpflichtiger Gegenstand fällt, wie hoch 
also die zu erkennende Strafe ist, an das vom Bundesrath veröffentlichte Waaren- 
verzeichniß nicht gebunden ist, obgleich die Vorschrift in § 12 des Vereinsgollgesetzes, 
welcher durch die Strafprozeßordnung nicht beseitigt ist (§ 5 des Einführungs- 
gesetzes zur Strafprozeßordnung)1, weil der Strafrichter alle auf die Strafe und die 
Strafhöhe Bezug habenden Merkmale selbstständig festzustellen hat 15. §& 12 des Ver- 
einszollgesetzes gestattet über die Anwendung des Tarifs im einzelnen Falle 
nicht den Rechtsweg, sondern die Beschwerde !“ im Verwaltungsweg. Darüber, ob 
ein Gegenstand überhaupt einem Zolle unterliegt, ob z. B. einer der im Tarif- 
gesetze vorgesehenen Befreiungsfälle gegeben ist, wird der Rechtsweg durch keine 
  
Ober-Tribunals in Straff., Bd. XV, S. 382, 
1 Entsch, des Reichsger. in Strafs., Bd. II, 
370 Goltdammer's Arcchiv, 29. XXII, S. 50. 
« Entsch. des seichert in Strajs., Bd. XVII, 
S. 1 
2 Ebendort Bd. XX, S. 305. 
* Nicht aber, wenn W aus einer Zoll-= 
niederlage gestohlen und in den freien Verkehr 
gebracht sind. 
5 Entsch. des Neichsger. in Strass., Bd. VIII, 
S. 782, Bd. X, S. 440. 
6 Siehe weiter unten. 
7 Darauf ist auch vom Strafrichter nicht zu 
erkennen; Rechtsprcchung des Reichsger. t 
Straff. RBd. I, S. 
Bo. Fnho nu- Reichsger. in Straff., 
* Agl. Oppenhoff, Rechtsprechung des 
  
. -Cntsch. des Neichsger. in Strafs., Be. XVI, 
S. 
e. *°6# Entsch, des Reichsger. in Straff., Bd. X VII, 
12 Vgl. Entsch. des Reichsger. in Straff., Bd. 
XIII, S. 321, und Arndt, in der „Zeitschr. j. 
die ges. Strafrechtswissenschaft, Bd. V, S. 283j., 
Motive zum Einführungegesetz zur Strafproze. 
ordnung in den Anlagen zu den Verhandlungen 
des Reichstages, II. Session 1874/75, 233, 
Anm. 1, Löwe, Comm. zu § 5, Anm. 3 
13 Siehe oben S. 368 und Entsch. des 
Neichsger. in Straff., Bd. XVII, S. 21. 
14 Diese kann schlteßlich bis an den Bundes- 
rath gehen (Art. 7, Ziff. 3 der Reichsverfassung).
	        
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