539. Zollstrefrecht und Zollstrafverfahren. 875
Bei der Umwandlung von Geld= in Freiheitsstrafen gelten im Allgemeinen die
Vorschriften!: des Strafgesetzbuchs §§ 28—830; doch soll die Freiheitsstrafe im ersten
Falle die Dauer von einem halben Jahre, beim Rückfall in eines von den beiden
Vergehen der Contrebande oder der Defraudation die Dauer von einem Jahre und
bei jedem ferneren Rückfall die Dauer von zwei Jahren nicht übersteigen (§ 162).
Liegt Realconcurrenz vor, so gilt § 78, Abs. 2 des Strafgesetzbuchs.
Die Verjährung der Bestechung (§ 160) und der Widersetzlichkeit (S 161)
regelt sich nach den allgemeinen Vorschriften ?. Ordnungswidrigkeiten verjähren
(auch wenn sie nur „Uebertretungen“ sind) in einem Jahre, Contrebande und
Defraudation in drei Jahren (§ 164) .
Für die Geldstrafen, Zollgefälle und Proceßkosten haften subsidiär dritte Per-
sonen. Es haften nämlich: 1) Handel= und Gewerbtreibende für ihre Diener,
Lehrlinge, Markthelfer, Gewerbsgehülfen, Ehegatten, Kinder, Gesinde und die sonst
in ihrem Dienste oder Tagelohn stehenden oder sich gewöhnlich bei der Familie
aufhaltenden Personen; 2) Eisenbahnverwaltungen und Dampfsschiffahrtsgesellschaften
für ihre Angestellten und Bevollmächtigten; 3) andere, nicht zur handel- und
gewerbtreibenden Klasse gehörenden Personen und für ihre Ehegatten und Kinder
rücksichtlich der Geldstrafen, Zollgefälle und Proceßkosten. Weisen indeß die unter
1) und 2) bezeichneten fubsidiarisch Verhafteten nach, daß das Zollvergehen ohne
ihr Wissen verübt worden ist, so haften sie nur für die Zollgefälle (§ 153).
Die Strafbestimmungen des Gesetzes, betreffend die Sicherung der Zollvereins-
grenze in den vom Zollgebiete ausgeschlossenen Hamburgischen Gebietstheilen, vom
1. Juli 1869 (B.-G.-Bl. 1869, S. 870) und des Gesetzes, betreffend die Sicherung
der gemeinschaftlichen Zollgrenze in den vom Zollgebiete ausgeschlossenen bremischen
Gebietstheilen, vom 28. Juni 1879 (R.-G.-Bl. 1879, S. 159) decken sich im
Wesentlichen mit denen des Vereinszollgesetzes. Diese Gesetze kommen nur noch in
den Freihafengebieten zur Anwendung.
Weit mildere Strafbestimmungen enthält das Gesetz, betreffend die Bestrafung
von Zuwiderhandlungen gegen die österreichisch-ungarischen Zollgesetze vom 17. Juli
1881 (R.-G.-Bl. 1881, S. 247), namentlich insofern die Strafschärfungen, z. B.
wegen Rückfalls, Bandenschmuggel, die Rechtsvermuthungen zu Ungunsten des
Thäters", die subsidiäre Haftung hier nicht in Anwendung kommen.
Um das Verfahren bei Zuwiderhandlungen gegen die Zollgesetze, das, wie
oben erwähnt ist, auch bei den meisten Zuwiderhandlungen gegen die Reichs-Steuer-
wie endlich gegen die Reichs-Stempel-Gesetze gilt, darzustellen, ist ein Zurückgehen
auf das ältere Recht nothwendig.
Bereits das zwischen Preußen, beiden Hessen, Bayern, Württemberg, Sachsen
und dem Thüringischen Zoll- und Handelsverein „zu dem Zwecke, um sich durch
gemeinschaftliche Maßregeln in der Unterdrückung des Schleichhandels zu unter-
stützen“, vereinbarte Zoll - Cartell vom 10. Mai 18335 verpflichtete die Vereins-
staaten, die in Art. 8 des Cartells normirten Strafen für Zollvergehen einzuführen
und enthielt ferner Vorschriften über den Gerichtsstand, den Anspruch auf die
Strafgelder und die Confiscationswerthe, das Recht der Behörde zu Beschlagnahmen,
zu körperlichen Vifitationen und Haussuchungen wie zur Nacheile in anderen Ver-
einsstaaten u. s. w.
In dem am 11. Mai 18388 abgeschlossenen Zollvereinigungsvertrages verpflichteten
sich die Vereinsstaaten, das Zollgesetz, den Zolltarif und die Zollordnung unter
sich zu vereinbaren und als integrirende Theile des Vertrages zu betrachten. Das
1 V9gl. Erk. des Reichsger vom 3. Juli 1890 4 Entsch. des Reichsger. in Straff., Bd. XVI,
im Preuß. Abgaben-Centralbl. 1891, S. 87; s.] S. 235.
serner Entsch. des Reichsger. in Straff., Bd. III, 5 Preuß. Ges.-S. 1833, S. 232. Das
S. 430, Bd. 1IV, S. 367. ç Cartell haben auch alle später hinzugetretenen
2 Es gilt also die dreimonatliche Verjährung, Mitglieder des Zollvereins angenommen. Es
Strasgesehbuch g 67, Abs. 3. gilt zum großen Theile noch heute; siehe weiter
* Val. auch Entsch. des Reichsger. in Straff., unten.
Bd. XIII, S. 223. * Preuß. Ges.-S. 1833, S. 240.