§ 8. Die Errichtung des Deutschen Reiches. 33
interne Angelegenheit, welche nicht durch Abschluß neuer Bündnißverträge, auch
nicht durch Aenderung der Bundesverfassung, sondern durch einfache Gesetze ge-
regelt wäre.
Der erste Schritt zur Vereinigung des Norddeutschen Bundes mit den süd-
deutschen Staaten geschah durch den Abschluß des Zollvereinigungsvertrages vom
8. Juli 1867 (Bundesgesetz-Bl. S. 81).
Der am 16. Mai 1865 erneuerte Zollvereinigungsvertrag wurde durch den
Krieg des Jahres 1866 außer Wirksamkeit gesetzt und in den Friedensschlüssen nur
vorläufig und unter der Bedingung einer jedem Theile zustehenden sechsmonat-
lichen Kündigung wieder hergestellt. Inzwischen wurde das Zollvereinsverhältniß
der zum Norddeutschen Bunde gehörigen Staaten durch die Verfassung desselben
aus einem vertragsmäßigen ein verfassungsmäßiges, aus einem kündbaren ein un-
kündbares, aus einem — formell betrachtet — auf dem Grundsatze der Gleich-
berechtigung beruhendes ein solches, in welchem Preußen bezüglich aller Gesetze,
Verordnungen und Einrichtungen das Recht des Veto und das Recht der Controle
erhielt. Auch von den süddeutschen Staaten sorderte Preußen Concessionen und
erzielte ihre Annahme durch die Kündigungsklausel, d. h. durch die Furcht der
süddeutschen Staaten, in Folge Ausschlusses aus dem Zollverein finanziell und
wirthschaftlich ruinirt zu werden 1. Das Ergebniß der dieserhalb zwischen dem
Norddeutschen Bunde und den süddeutschen Staaten gepflogenen Verhandlungen war
der zwischen dem Norddeutschen Bunde einerseits und den süddeutschen Staaten
andererseits geschlossene Zollvereinigungsvertrag. Derselbe war auf zwölf Jahre
abgeschlossen, verlängerte sich aber stillschweigend bei nicht rechtzeitig eintretender
Kündigung wieder um zwölf Jahre. Er führte bezüglich der Zölle und gemein-
schaftlichen Steuern eine Zollvereinsgesetzgebung mit einem Zollbundesrath und
einem Zollparlament ein. Jener wurde dadurch gebildet, daß zu dem Bundesrathe
des Norddeutschen Bundes Bevollmächtigte der süddeutschen Staaten hinzutraten
(der Bundesrath des Zollvereins deckt sich mit dem des jetzigen Deutschen Reiches),
dieses dadurch, daß in Süddeutschland auf Grund des im Norddeutschen Bunde geltenden
gleichen, geheimen, allgemeinen und direkten Wahlrechts 85 Reichstagsabgeordnete
gewählt wurden, welche dem Norddeutschen Reichstage hinzutraten. Die Gesetze,
welche Zollbundesrath und Zollparlament beschlossen, gingen den Bundesgesetzen
vor. Das Präsidium, welches Preußen zustand, hatte rückfichtlich aller Gesetze,
Verwaltungsvorschriften und Einrichtungen ein Veto und konnte die richtige Be-
solgung durch von ihm ernannte Vereinsbevollmächtigte controliren. Der Vertrag
wurde am 26. October 1867 vom Norddeutschen Reichstage genehmigt.
Die Kriegsereignisse des Jahres 1870 brachten die Vollendung der nationalen
Einheit. Am 3. September 1870 wiederholte die großherzoglich badische Re-
gierung in einem Schreiben an den Bundeskanzler ihren schon vor dem Kriege ge-
stellten Antrag auf Eintritt in den Norddeutschen Bund, und am 12. September
begannen Württemberg und Bayern Verhandlungen zum gleichen Zwecke,
denen sich später auch das Großherzogthum Hessen anschloß. Das Ergebniß
dieser Verhandlungen war: 1) Der Vertrag von Versailles zwischen dem Nord-
deutschen Bunde einerseits mit Baden und Hessen andererseits vom 15. No-
vember 1870 (B.-G.-Bl. S. 650); 2) der Vertrag zu Berlin vom 25. November
1870 zwischen dem Norddeutschen Bunde, Baden und Hessen einerseits und
Württemberg andererseits (B.-G.-Bl. S. 654), nebst Schlußprotocoll von dem
gleichen Tage (B.-G.-Bl. S. 657) und eine Militärconvention vom 21./25. No-
vember 1870 (B.-G.-Bl. S. 658); 3) der Vertrag von Versailles zwischen dem
Norddeutschen Bunde einer= und Bayern andererseits vom 23. November 1870
(B.-G.-Bl. 1871, S. 9) nebst Schlußprotocoll vom gleichen Tage (B.-G.-Bl.
S. 23). Dem mit Bayern abgeschlossenen Vertrage vom 23. November traten im
Vertrage zu Berlin vom 8. December 1870 Württemberg, Baden und Hessen bei.
1 Vgl. Fürst Bismarck am 11. Män O. Mejer, Einleitung, S. 314.
1867 * Bezold, Materialien, I, S. 178 ff.;
Arndt, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. 3