400 Siebentes Buch. Finanzwesen.
dem Umstande, daß die einzelnen Bundesstaaten nach wie vor Errichtung des
Deutschen Reiches und des Norddeutschen Bundes die Zölle und gemeinschaftlichen
Steuern selbst erheben, wie endlich in Berücksichtigung des schon im Zollvereine
bestandenen Abrechnungsmodus, daß Eigenthümer der erhobenen Zölle, Verbrauchs-
steuern und Stempel nicht der Reichs-, sondern der Landesfiskus wird 1. Der auf
die Zölle, die Verbrauchssteuern und die Reichs-Stempelabgaben bezügliche Etat
des Reiches ist ein Nettoetat; nur der Reinertrag, nicht der Bruttoertrag, also
auch nicht die vom Bruttoertrage für die Erhebung und Verwaltung in Abzug zu
bringenden Kosten, unterliegt der Feststellung im Haushaltsgesetze für das Deutsche
Reich 2. Andererseits ist von Reichswegen genau vorgeschrieben, wie der Ertrag
der in die Reichskasse fließenden Abgaben zu berechnen ist. Die Einzelstaaten
müssen, wie schon wiederholt hervorgehoben ist, alle Reichszölle und alle Reichs-
steuern ganz erheben, soweit nicht reichsgesetzlich Ausnahmen vorgeschrieben oder
zugelassen find. Dies folgt schon daraus, daß das Reich eine Zoll= und Handels-
einheit darstellt. Es würde aber nicht zutreffen, wenn die Bundesstaaten be-
fugt wären, die Production oder Consumption ihrer Gebiete zum Nachtheile der
anderen Staaten zu begünstigen 5. Der Ertrag besteht nun nach Art. 38 der
Reichsverfassung aus dem Bruttoertrage, nämlich aus den gesammten von den
Zöllen und den übrigen Abgaben aufkommenden Einnahmen „nach Abzug: 1) der
auf Gesetzen oder allgemeinen Verwaltungsvorschriften beruhenden Steuervergütungen
und -Ermäßigungen“. Diese Gesetze können nur Reichsgesetze oder solche Vorschriften sein,
welche die Kraft von Reichsgesetzen erlangt haben, z. B. Abmachungen in Zoll-
vereinigungsverträgen, welche gemäß Art. 40 der Reichsverfassung zum Reichsrecht
erhoben sind. Allgemeine Verwaltungsvorschriften find solche, welche nicht bloß
in einem Bundesstaate, sondern im ganzen Reiche gelten. Die neueren find gemäß
Art. 7, Ziff. 2 der Reichsverfassung vom Bundesrath erlassen und seit 1873 auch
von Reichswegen bekannt gemacht. Aeltere vom Bundesrath erlassene Vorschriften
find in den einzelnen Bundesstaaten von den Landesregierungen verkündet, z. B.
mehrere Verordnungen über Befreiungen oder Ermäßigungen von der Salzsteuer“.
Eine allgemeine Verwaltungsvorschrift im Sinne des Art. 38 der Reichsverfassung
liegt aber auch vor, wenn die Vorschrift nur von der Landesregierung, aber auf
Grund einer allgemeinen Vorschrift erlassen ist, z. B. eine, die auf Grund eines
Reichsgesetzes ergeht oder die auf den General-Zollconferenzen oder später vom
Bundesrath beschlossen ist. Ein Abzug aus Grund solcher Gesetze oder Verwaltungs=
vorschriften ist auch nur in dem Falle zulässig, daß in ihnen die Befreiung oder
Ermäßigung von der Reichssteuer ganz oder theilweise auf Reichs= bezw. gemein-
schaftliche Rechnung gestattet ist. Es ist ferner selbstverständlich, daß der letzte
Grund einer gänzlichen oder theilweisen Befreiung von Reichssteuern, auch wenn
diese in einer Verordnung, einer sogenannten Verwaltungsvorschrift, ausgesprochen
wird, nicht das eigene Recht des Anordnenden, sondern das Reichsgesetz oder,
was dem gleichsteht, ein Gesetz des Norddeutschen Bundes oder des Zollvereins oder
ein älterer zum Reichsgesetz erhobener Vertrag sein kann; denn selbstständige Rechts-
verordnungen sind dem deutschen Reichsrechte fremd 5.
Von der Bruttoeinnahme gehen ab: 2) „die Rückerstattungen für unrichtige
Erhebung“ und sodann 3) die „Erhebungs= und Verwaltungskosten“. Diese, die
Erhebungs= und Verwaltungskosten, sind nicht in jedem besonderen Falle zu be-
rechnen, sondern generell festgesetzt. Bei den Reichszöllen find nur abzuziehen „die
Kosten, welche an den gegen das Ausland gelegenen Grenzen und in dem Grenz-
bezirke für den Schutz und die Erhebung der Zölle erforderlich sind“. Nicht
1 Anerkannt u. A. in den Entscheidungen des 3 Siehe oben S. 200, ferner Arndt, Ver-
Reichsger. in Civils., Bd. V, S. 34 f., Bd. XVI, ordnungsrecht, S. 56, Delbrück am 1. April
S. 87 ff. 1867 im verfassungsberathenden norddeutschen
2 Siehe oben S. 329f. Reichstage 1867 (Sten. Ber. S. 502): „— daß
3 Siehe auch Hänel, Staatsrecht, S. 393. die Regulirung der Steuer-Vergütungen und
* Vgl. Arndt, Die Salzsteuer, in der-Ermäßigungen ein Gegenstand der Bundes-
Zeitschr. für Bergrecht, Bd. XXIV, S. 52 ff., gesetzgebung in Zukunft sein wird, ist nach dem
ferner oben S. 339. nhalte des Artikels 35 völlig zweifellos.“