6 43. Der Inhalt des Etatsgesetzes u. s. w. 411
ausgeglichen sein. In dem Entwurfe der Norddeutschen Bundesverfassung war von
Einnahmen keine Rede; Alles, was von den Ausgaben nicht gedeckt war, sollte nach
dem Sinne des Entwurfs durch Beiträge der einzelnen Bundesstaaten nach Maß-
gabe ihrer Bevölkerung, durch sogenannte Matrikularbeiträge, wie im ehemaligen
Deutschen Bunde, aufgebracht werden. Art. 70 der Reichsverfassung bestimmt da-
gegen ausdrücklich, daß, insoweit die Ausgaben durch die dort bezeichneten Ein-
nahmen nicht gedeckt werden, sie, „so lange Reichssteuern nicht eingeführt find“,
durch Beiträge — der einzelnen Bundesstaaten — aufzubringen find. Die Ver-
fassung hielt somit die Erhebung der Matrikularbeiträge für einen vorübergehenden
und nicht gerade empfehlenswerthen Zustand i. Materiell sind diese Beiträge der
Bundesstaaten fast ganz verschwunden; formell bestehen die Matrikularbeiträge noch,
weil ein großer Theil (jetzt zwischen 400 und 500 Millionen Mark) der Einnahmen
des Reiches, und zwar ein Theil aus den Einnahmen der Zölle und der Tabacksteuer,
ferner der Börsensteuer und der Branntwein-Verbrauchssteuer der Bundesstaaten
nach denselben Verhältnissen den Bundesstaaten, in denen diese Matrikularbeiträge
aufbringen müssen, zufließt?v. Fürst Bismarck bemerkte hierzu bei Berathung
des § 8 des Zolltarifgesetzes vom 15. Juli 187985: „Es ist Alles auf dem Wege der
Abrechnung gemacht worden. Dieser selbe Weg der Abrechnung soll auch ferner
beschritten werden bei Annahme des Franckenstein'schen Antrages. Die eventuelle
Ueberweisung zunächst an die Reichskasse wird verfassungsmäßig nach Artikel 38
stattfinden. Von da wird nach dem Texte des Franckenstein'schen Antrages eine
Ueberweisung an die einzelnen Staaten aus der Reichskasse stattfinden. Das Reich
wird also vermöge eines Gesetzes, welches es sich selbst giebt, eine ständige Ausgabe
in sein Budget aufzunehmen haben, deren Betrag den einzelnen Staaten zur
freien Verwendung zufließt. Es bedarf daher auch nicht der Artikel 70 der Ver-
fassung einer Aenderung, welcher verlangt, daß zunächst die Ueberschüsse zur Ver-
wendung kommen sollen, da die Ueberschüsse sich erst dann ergeben, wenn alle
Ausgaben bestritten fsind, und wenn das Reich sich eine Ausgabe gesetzlich auferlegt,
mag sie für das Germanische Museum, mag sie für die Gesammtheit der Einzel-
staaten votirt werden, so muß immer diese Ausgabe erst geleistet werden, ehe
Ueberschüsse entstehen können.“ Es ist dieser Ausführung darin zuzustimmen, daß
die lex Franckenstein keine Verfassungsänderung enthält, daß sich Alles auf dem
Wege der Abrechnung vollzieht und daß in ruhigen Zeitläuften die Sache so gleich-
gültig ist, als ob man sagt: ein „bonnet blanc“ oder ein „blanc bonnet". Indeß
haben die leges Franckenstein für schwierige Zeiten eine nicht geringe rechtliche Tragweite.
Ohne diese wären die Abzüge der Ueberweisungen aus den Einnahmen der Zölle, der
Taback-, Börsen= und Branntweinsteuer nicht in Ausgabe gestellt, und es fänden
sich um so viel geringere oder gar keine Matrikularbeiträge in der Einnahme. Jetzt
finden sich unter den Einnahmen im Etat Matrikularbeiträge, die sonst in viel
geringerem Maße oder gar nicht vorhanden wären. Die Matrikularbeiträge dürfen
vom Reichskanzler nur „bis zur Höhe des budgetmäßigen Betrages“ ausgeschrieben
werden (Art. 70). Ohne Budgetgesetz kann der Reichskanzler die Beiträge nicht
einziehen. Nun befindet sich das Geld zum allergrößten Theile schon in der Reichs-
kasse. Daraus folgt, daß die Einzelstaaten, wenn das Budgetgesetz nicht zu Stande
kommt, die auf sie entfallenden Ueberweisungsbeträge einfordern dürfen und einen
Abzug für Matrikularbeiträge nicht zu dulden brauchen. Andererseits verpflichten
die leges Frankenstein die Regierungen nicht dazu, die Ueberweisungen zu fordern.
Der Reichstag seinerseits kann sie dazu auch nicht zwingen. Vor ihren Landtagen
fsind sie verantwortlich, wenn sie die Ueberweisungen nicht einfordern; sie werden
jedoch diese Verantwortlichkeit nicht schwer tragen, indem sie sich darauf berufen
können, daß die Ausgaben des Reiches nach Art. 70 „aufzubringen find“. Die
1 Fürst Bismarck in den Sten. Ber. des' Bremen oder Hamburg.“
Reichstages 1879, S. 2180: „Dreißigtausend 1 Siehe oben. Z
oder eeszigtausend Einwohner von ahürin- en 2 Siehe oben; Sten. Ber. des Reichstages
und Waldeck können nicht ebenso viel zahlen 1879, S. 2193 ff.
wie dreißig= oder vierzigtausend Einwohner von