Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

8 43. Der Inhalt des Etatsgesetzes n. s. w. 417 
der Schutzgebiete für das Etatsjahr 1897/1898, vom 22. Januar 1898 (R.-G.-Bl. 
1898, S. 3). Die Befugnisse und die Pflichten des Rechnungshofes des Deutschen 
Reiches, also die nämlichen, welche die preußische Ober-Rechnungskammer rückfichtlich 
der preußischen Finanzverwaltung besitzt, sind im Wesentlichen in dem erwähnten 
preußischen Gesetze vom 27. März 1872 enthalten. Die preußische Ober-Rechnungs- 
kammer hat eine doppelte Aufgabe: die ältere, sich schon auf die Cabinetsordre 
König Friedrich Wilhelm's I. vom 16. Juni 1717 zurückführende besteht darin, 
dem Könige die Controle der Behörden in finanzieller Hinsicht vorzubereiten und 
die Dechargirung der Behörden herbeizuführen; die jüngere, welche der Preußischen 
Verfassung entspricht, besteht darin, dem Landtage die Controle darüber zu ver- 
schaffen, daß das Staatshaushalts-Etatsgesetz beobachtet worden ist u. Die Ober- 
Rechnungskammer ist eine dem Könige unmittelbar untergeordnete, den Ministern 
gegenüber selbstständige Behörde, so besagt § 1 des Gesetzes vom 27. März 1872, 
d. h. also, der Rechnungshof des Deutschen Reiches ist eine dem Kaiser unterstellte, 
dem Reichskanzler gegenüber selbstständige Behörde, welche die Controle des gesammten 
Staatshaushalts durch Prüfung und Feststellung der Rechnungen über Einnahmen 
und Ausgaben von Staatsgeldern, über Zugang und Abgang von Staatseigenthum 
und über die Verwaltung der Staatsschulden zu führen hat (§ 1). Sie besteht 
aus einem Präfidenten und der erforderlichen Zahl von Directoren und Räthen 
(§ 2). Die Mitglieder des Rechnungshofes werden vom Bundesrath gewählt und 
vom Kaiser angestellt (§ 2 des Gesetzes vom 4. Juli 1868, B.-G.-Bl. 1868, 
S. 433). Sie haben die Immunitäten richterlicher Beamter (§ 3 des Gesetzes vom 
27. März 1872. Den formellen Geschäftsgang für den Rechnungshof des 
Deutschen Reiches regelt der Reichskanzler im Einvernehmen mit dem Bundesrath 
durch eine Instruction (§ 5 des angezogenen Gesetzes vom 4. Juli 1868)2. Der 
Rechnungshof faßt seine Beschlüsse nach Stimmenmehrheit der Mitglieder, ein- 
schließlich des Vorsitzenden, welcher bei gleicher Theilung der Stimmen den Aus- 
schlag giebt. Die collegialische Berathung und Beschlußfassung ist jedenfalls er- 
sorderlich, wenn 1) an den König (Kaiser) Bericht erstattet, 2) die für den Landtag 
(den Bundesrath oder Reichstag) bestimmten Bemerkungen festgestellt, 3) allgemeine 
Grundsätze aufgestellt oder bestehende abgeändert, 4) allgemeine Instructionen erlassen 
oder abgeändert, 5) über Anordnungen der höchsten Verwaltungsbehörden Gutachten 
abgegeben werden sollen (§ 8 des Gesetzes vom 27. März 1872). 
Der Revision unterliegen zuvörderst alle diejenigen Rechnungen, durch welche 
die Ausführung des festgestellten Reichs-(Staats-) Haushalts-Etats und der sämmt- 
lichen Etats und sonstigen Unterlagen, auf welchen derselbe beruht, dargethan wird, 
insbesondere also: 1) die Rechnungen der Reichsbehörden, Reichsbetriebsanstalten 
und Reichsinstitute über Einnahme und Ausgabe von Reichsgeldern; 2) soweit 
nicht in einzelnen Fällen statutarische oder vertragsmäßige Bestimmungen eine Aus- 
nahme begründen, die Rechnungen aller derjenigen nicht dem Reiche gehörigen 
(staatlichen) Institute, welche aus Reichsmitteln unterhalten werden oder veränder- 
liche Zuschüsse nach Maßgabe des Bedürfnisses aus der Reichskaffe erhalten oder 
mit Gewährleistung des Reiches verwaltet werden, sobald und solange diese Garantie 
verwirklicht werden soll. Ausgenommen von der Revifion durch den Rechnungshof 
find allein die Rechnungen über gewisse Dispositionsfonds im Etat des Auswärtigen 
Lei und im preußischen Kriegsministerium (vgl. § 9 des Gesetzes vom 27. März 
872)0. 
Durch besondere Gesetze ist auch die Revision der Rechnungen bei der Ver- 
waltung und Verwendung der französischen Kriegskostenentschädigung 3, der Ver- 
waltung des Invalidenfonds", des Kriegsschatzes und der Reichsbank“ dem 
  
  
  
  
1 Siehe Art. 104 der Preußischen Verfassungs= S. 157 ff. 
urkunde und Arndt, im Arch. f. öffentl. Recht 2 Siehe weiter unten, 44. 
  
1888, S. 537 ff. 4 Siehe weiter unten, §5 44. 
2 Es it jetzt die Instruction vom 5. März 5 Siehe weiter unten, § 44. 
1875 im Centralbl. für das Deutsche Reich 1875, 4 Siehe oben § 32. 
Arndt, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. 27
	        
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