Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

l43. Der Inhalt des Etatsgesetzes u. s. w. 419 
der Rechnungshof bei Requifitionen nur an die Landes--Centralbehörde zu halten 
hat. Dagegen findet die nachfolgende Vorschrift (in § 16 des Gesetzes vom 
27. März 1872) auf das Verhältniß zwischen dem Rechnungshofe des Deutschen 
Reiches und den Landes-Provinzialbehörden keine Anwendung: „Die Provinzial- 
und die ihnen gleichstehenden und untergebenen Behörden sind (dem Rechnungshofe) 
in allen Angelegenheiten des Ressorts (desselben) untergeordnet. (Der Rechnungs- 
hof) ist befugt, (seinen) Verfügungen nöthigenfalls durch Strafbefehle, innerhalb 
der für die obersten preußischen Verwaltungsbehörden gesetzlich bestimmten Grenzen, 
die schuldige Folgeleistung zu sichern, auch etwa vorkommende Unangemessenheiten 
in Erledigung ihrer Erlasse zu rügen.“ Der Rechnungshof kann lediglich die Landes- 
Centralbehörde ersuchen, das Entsprechende anzuordnen. 
Alle Verfügungen der obersten Reichsbehörden, durch welche in Beziehung auf 
Einnahmen oder Ausgaben des Reiches eine allgemeine Vorschrift gegeben oder eine 
schon bestehende abgeändert oder erläutert wird, müssen sogleich bei ihrem Erscheinen 
dem Rechnungshofe mitgetheilt werden. Allgemeine Anordnungen der Behörden 
über die Kassenverwaltung und Buchführung find schon vor ihrem Erlaß zur 
Kenntniß des Rechnungshofes zu bringen, damit er auf etwaige Bedenken, welche 
sich aus seinem Standpunkte ergeben, aufmerksam machen kann. Die Vorschriften 
über die formelle Einrichtung der Jahresrechnungen und Justificatorien werden vom 
Rechnungshofe — nach Anhörung der Departementschefs — erlassen. Von allen 
auf die Rechnungslegung bezüglichen Beschlüssen des Bundesrathes oder des 
un ist dem Rechnungshofe zur Kenntnißnahme Mittheilung zu machen 
as.). 
Vor dem Gesetze vom 27. März 1872 genügte in Preußen eine Cabinetsordre, 
um den durch diese gedeckten Gegenstand der Controle des Landtages zu entziehen 1. 
Dies ist durch § 18 des Gesetzes vom 27. März 1872 geändert: 
„Die nach Vorschrift des Artikels 104 der Verfassungsurkunde mit der allgemeinen 
Rechnung über den Staatshaushalt jeden Jahres von der Staatsregierung dem 
Landtage vorzulegenden, von der Ober-Rechnungskammer unter selbstständiger, un- 
bedingter Verantwortlichkeit aufzustellenden Bemerkungen müssen ergeben: 1) ob 
die in der Rechnung aufgeführten Beträge in Einnahme und Ausgabe mit den- 
jenigen übereinstimmen, welche in den von der Ober-Rechnungskammer revidirten 
Kassenrechnungen in Einnahme und Ausgabe nachgewiesen find; 2) ob und in- 
wieweit bei der Vereinnahmung und Erhebung, bei der Verausgabung oder Ver- 
wendung von Staatsgeldern oder bei der Erwerbung, Benutzung oder Veräußerung 
von Staatseigenthum Abweichungen von den Bestimmungen des gesetzlich fest- 
gestellten Staatshaushalts-Etats oder der von der Landesvertretung genehmigten 
Titel der Specialetats (§ 19) oder von den mit einzelnen Positionen des Etats 
verbundenen Bemerkungen oder von den Bestimmungen der auf die Staatseinnahmen 
und Staatsausgaben oder auf die Erwerbung, Benutzung oder Veräußerung von 
Staatseigenthum bezüglichen Gesetze stattgefunden haben; insbesondere 3) zu welchen 
Etatsüberschreitungen im Sinne des Artikels 104 der Verfassungsurkunde (§ 19) sowie 
zu welchen außeretatsmäßigen Ausgaben die Genehmigung des Landtages noch 
nicht beigebracht ist.“ Diese Vorschrift findet auf den Rechnungshof des Deutschen 
Reiches entsprechende Anwendung. Er darf und kann selbst durch eine Cabinets- 
ordre nicht von der Pflicht entbunden werden, über die in diesem § 18 bezeichneten 
Gegenstände die etwa erforderlichen Bemerkungen dem Bundesrathe und dem Reichs- 
tage zu machen 2. Insbesondere ist der Allerhöchste Erlaß vom 21. Juni 1862, 
wonach diejenigen Erinnerungen dem Landtage nicht mitzutheilen waren, welche 
von vornherein vor der Revision durch Cabinetsordre justifücirt waren, dadurch 
aufgehoben. Andererseits sind auch nur solche Abweichungen dem Landtage mit- 
zutheilen, welche auf die Entlastung von Einfluß find, nicht solche, welche der 
  
1 Arndt, Preuß. Verf.-Urk., S. 298. Actenstück S. 148, Sten. Berichte 1871/1872, 
2 Vgl. Kommissionsbericht des preußischen S. 846 
Abgeordnetenhauses vom 30. Januar 18772, 
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