440 Siebentes Buch. Finanzwesen.
gesetze zur Verfügung gestellt: für die Reichshauptkasse, die Legationskasse, die
Reichsdruckerei, die Reichspost= und Reichstelegraphenverwaltung und für die Heeres-
verwaltungen 1.
Aehnlich wie Finanz= und Verwaltungsvermögen unterscheidet die Theorie
Finanz= und Verwaltungsschuldens. Verwaltungsschulden seien diejenigen
nicht unverzüglich berichtigten Forderungen an die laufende Verwaltung, welche im
Etat vorgesehen find, aber ihre Deckung erst in einer späteren Einnahme finden, zu
deren Bestreitung die Mittel in der Kasse augenblicklich nicht ausreichen, die jedoch
in der laufenden Finanzperiode wieder ausgeglichen werden, indem lediglich etats-
mäßige Ausgaben zu etatsmäßigen Einnahmen anticipirt seien. Diese Verwaltungs-
schulden bewegen sich vermeintlich also innerhalb der budgetmäßigen Summen und
bezwecken nur die zweckmäßige gegenseitige Ordnung von Einnahmen und Aus-
gaben; sie würden überhaupt gar nicht entstehen, wenn die Einnahmen und Aus-
gaben an einem einzigen Tage erfolgen könnten; sie entstehen aber dadurch, daß
die Einnahmen und Ausgaben sich unregelmäßig vertheilen, und zwar so, daß ein
Theil der Ausgaben früher zu leisten sei, als ein Theil der Einnahmen erhoben
werde. Einen ganz anderen Charakter haben aber angeblich die Finanzschulden,
die eigentlichen Schulden. Diese haben nämlich ihren Grund nicht in laufenden
Einnahmen, sondern in den Ausgaben; fie schaffen eine fehlende Ouelle von Ein-
nahmen, und zwar entweder in der Weise, daß die Nothwendigkeit einer derartigen
Schuld sich schon bei Feststellung des Budgets herausstelle oder erst im Laufe des
Verwaltungsjahres sich ergebe, indem die Ausgaben den Voranschlag überschreiten,
während die Einnahmen hinter demselben zurückbleiben. Während nun die Ver-
waltungsschulden eine Maßregel der Finanzverwaltung seien und durch die derselben
innewohnende Verordnungsgewalt geschaffen, geordnet und getilgt werden, so seien
dagegen die Finanzschulden ein Gegenstand der Gesetzgebung, sowohl in Bezug auf
Contrahirung als in Bezug auf Verwaltung. Zur Contrahirung der Verwaltungs-
schulden bedürfe die Regierung keiner Autorisation 3. In anderer Weise wird der
Unterschied zwischen Finanz= und Verwaltungsschulden auch so dargestellt", daß
das Verhältniß des Staates zu seinen Gläubigern ein rein privatrechtliches sei.
Die Ouintessenz der Unterscheidung wird im Allgemeinen darin gefunden, daß zu
Finanzschulden stets, zu Verwaltungsschulden nies ein Gesetz (die Zustimmung
von Bundesrath und Reichstag) nöthig sei. Diese ganze Unterscheidung ist ebenso
willkürlich, wie sie der Sache und dem Verfassungsrechte Zwang anthut.
Schulden machen, d. h. onerose Rechtsgeschäfte für das Reich oder den Staat
eingehen, kann jede Verwaltung, zu welchen Zwecken auch immer, und zwar ohne
Gesetz. Ob man ein Grundstück kauft, um darauf ein Gerichtsgebäude zu
errichten oder einen Eisenbahndamm zu verbreitern, ob man Papier und Tinte
kauft, um sie für ein Gericht oder eine Regierung oder eine fiskalische Grube verwenden
zu lassen, ob man Kohlen kauft, um damit Gerichtslokale oder Lokomotiven zu heizen,
ist für das Kaufgeschäft ganz gleich. Die Regierung hat die interne Verpflichtung,
sich im Rahmen des Etats zu halten. Die Schulden aber, die sie aus Ge-
schäften der vorbezeichneten Art contrahirt hat, muß der Staat erfüllen, und er
kann sich nicht dahinter verstecken, daß der Ankauf von Kohlen, um Lokomotiven
zu heizen, die Erwerbung von Grundeigenthum, um darauf einen Eisenbahnhof zu
errichten, Finanzschulden betreffen und nur gültig durch Gesetz contrahirt werden
können. Wenn auf der anderen Seite die Regierung eine Anleihe macht, wenn
1 Die Theorie erblickt in den unter 1 bis 6 /waltungsrecht, II, S. 374 ff.
aufgeführten Fonds sog. Finanzvermögen. Ich à So Meier, L., Zorn, II, S. 806:
meine, wenn es überhaupt einen Unterschied Auf diese Verwaltungsschulden bezieht sich Art.76
zwischen Finanz= und Verwaltungsvermögen der Reichsverfassung selbstverständlich nicht.“"
ebt, dann läge nur Verwaltungsvermögen vor. 4" Laband, Reichsstaatsrecht, II„ S. 834,
enn nirgends ist die Absicht vorhanden, Finanz-Zorn, II, S. 803.
geschäfte zu machen, Gewinn zu erzielen. 6 Nach Laband, II, S. 835 f. indeß, wenn
Vgal. hierzu E. Meier, in v. Holtzen= die Horm der Anleihe ehraucht wird; doch
dorff's Encyklopädie, III, S. 760, Laband, habe Art. 73 im Wesenklic
. inanzschulden
Reichsstaatsrecht, II. S. 834, G. Meyer, Ver= treffen wollen.
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