Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

442 Siebentes Buch. Finanzwesen. 
vom 12. Mai 1873 (R.-G.-Bl. 1873, S. 91) Bezug, wenn nicht die Reichsschulden- 
verwaltung den Nachweis über die Vernichtung oder den Verlust als erbracht an- 
sieht und ohne weiteres Verfahren eine neue Schuldverschreibung ausfertigt. Zu- 
nächst wird der Verlust oder die Vernichtung im Reichsanzeiger und in einer in 
Leipzig, Frankfurt a. M., Hamburg und Augsburg erscheinenden Zeitung auf 
Kosten des angeblichen Verlierers unter genauer Bezeichnung des Schuldscheins und 
des Eigenthümers bekannt gemacht. Bescheinigt die Reichsschuldenverwaltung, daß 
sich Niemand mit dem angeblich verlorenen oder vernichteten Schuldschein bis zum 
Ablaufe von sechs Zinszahlungsterminen gemeldet hat, so wird auf Grund dieser 
Bescheinigung das Aufgebot vom Gericht dahin erlassen, daß die Amortisation er- 
solgen werde, falls der etwaige Inhaber der Schuldverschreibung sich nicht bis zum 
achten Zinszahlungstermin melde. Erfolgt eine solche Meldung nicht, so ist vom 
Gericht das Amortisationserkenntniß zu erlassen und an öffentlicher Gerichtsstelle 
auszuhängen, auch in den öffentlichen Blättern bekannt zu machen. Vor der Aus- 
sertigung muß jedoch abermals ein schriftliches Zeugniß der Reichsschuldenverwaltung, 
daß sich Niemand mit dem Schuldscheine gemeldet, vorgelegt werden. Es muß 
serner zwischen der ersten Bekanntmachung und der Abfassung des Erkenntnisses 
derjenige Zeitpunkt eingetreten sein, an welchem die Schuldverschreibung zur 
Empfangnahme neuer Zinescheine hätte vorgezeigt werden müssen. Vier Wochen 
nach Aushang des Erkenntnisses stellt die Reichsschuldenverwaltung eine neue 
Schuldverschreibung aus mit den zu dem kraftlos erklärten Documente gehörenden, 
bis dahin noch nicht ausgehändigten Zinscoupons. 
Ueber verlorengegangene oder vernichtete Zin scoupons erfolgt ein eigent- 
liches Amortisationsverfahren nicht. Der Inhaber hat seine Forderung verloren. 
Doch kann die Reichsschuldenverwaltung, wenn ihr ein genügender Nachweis über 
den völligen Verlust erbracht hat, neue Coupons aushändigen. 
Handelt es sich um solche verlorene oder vernichtete Schuldverschreibungen oder 
Schatzanweisungen, welche entweder niemals mit Zinsscheinen versehen waren oder 
zu einem bereits abgelegten Theile der Bundes= oder Reichsschuld gehören, so wird 
das Aufgebotsverfahren ohne vorgängige Bekanntmachung der Reichsschulden- 
verwaltung auf Grund eines Zeugnisses dieser Behörde darüber, „daß die durch 
die verlorengegangene Urkunde verbriefte Schuld in ihren Büchern oder Etats 
noch offen stehe“, erlassen. Der Aufgebotstermin wird mit zweimonatlicher Frist 
anberaumt. Ist das Aufgebot ohne Erfolg geblieben und wird demnächst von der 
Reichsschuldenverwaltung unter Wiederholung des vorerwähnten Zeugnisses be- 
scheinigt, daß die aufgebotene Urkunde auch bis dahin nicht zum Vorschein gekommen 
sei, so wird das Amortisationserkenntniß abgefaßt. Die Bekanntmachungen erfolgen 
durch den Deutschen Reichsanzeiger und durch je eine der in Frankfurt a. M., 
Augsburg, Leipzig und Hamburg erscheinenden Zeitungen, deren Bestimmung der 
Reichsschuldenverwaltung überlassen ist. An Stelle der amortisirten Schuld- 
verschreibung oder Schatzanweisung wird eine neue nicht ausgefertigt, wenn die 
Verbriefung des bezüglichen Theils der Bundes- oder Reichsschuld bereits geschlossen 
ist. In diesem Falle hat die Reichsschuldenverwaltung einer von ihr zu be- 
glaubigenden Abschrift der mit dem Atteste der Rechtskraft versehenen Ausfertigung 
des Amortisations-(Ausschluß-) Erkenntnisses, welche letztere bei ihren Acten auf- 
zubewahren ist, ein Anerkenntniß der durch die amortifirte Urkunde verbrieften 
Forderung beizufügen. In das Anerkenntniß ist möglichst der vollständige Inhalt 
der amortisirten Urkunde und die Erklärung aufzunehmen, daß die Zahlung des 
Kapitals und, soweit der Gläubiger Zinsen zu fordern berechtigt ist, auch dieser 
von Seiten der Reichsschuldenverwaltung an den Inhaber des Anerkenntnisses ohne 
weitere Legitimation desselben mit voller Wirkung geschehen war. Als das zum 
Aufgebot zuständige Gericht war im Gesetze vom 9. November 1817 das Stadt- 
gericht in Berlin bezeichnet, jetzt ist es das dortige Amtsgericht. Die Vorschriften, 
welche das Bürgerliche Gesetzbuch in den §§ 799 ff. über das Aufgebot abhanden 
gekommener oder vernichteter Schuldverschreibungen (Inhaberpapiere) oder Zins., 
Renten= und Gewinnantheilscheine aufstellt, kommen, solange die Anleihegesetze Sonder- 
vorschriften aufstellen, nicht zur Anwendung. In allen Fällen und gleichviel, ob
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.