454 Achtes Buch. Reichskriegswesen.
Truppen sind Reichstruppen. Die Sonderheit ist die, daß das Reich ihnen
gestattet, rücksichtlich gewisser Truppen Namens des Reiches und für dessen Rechnung,
aber nach dessen Anordnungen und unter dessen Anleitung und Aufficht die Ver-
waltung zu führen, Officiere zu ernennen, Abzeichen einzuführen u. s. w. Es find
dies zwar keine vom Reiche übertragene, sondern vom Reiche nicht entzogene,
nur belassene Rechte, aber Rechte, die sie ausüben nicht nach eigenem Ermessen und
zu den selbst gesteckten Zielen, noch um dadurch Truppen zu eigener Verfügung, als
ein besonderes Heer zu haben, sondern die sie nur ausüben, um auch ihrerseits
einen äußerlichen und ehrenvollen Antheil an der Verwaltung des Reichsheeres zu
haben. Sie haben noch eine Militärhoheit; aber diese besteht nur darin, daß fie
innerhalb gewisser ihnen gezogenen Grenzen das Recht und die Pflicht haben, dem
Reiche und dem Kaiser Truppen auszubilden und zu deren Ver-
fügung zu halten. Mit der Selbstverwaltung hat dies nichts zu thun; denn
bei dieser handelt es sich um eigene Angelegenheiten und Interessen des Ver-
waltenden; das Heer ist keine Sonder--, sondern eine Reichsangelegenheit;
bei der Selbstverwaltung handelt es sich darum, daß Diejenigen, deren Angelegen-
heiten verwaltet werden, an dieser Verwaltuug betheiligt find; die Truppen der
Contingente nehmen aber an der Verwaltung nicht Theil. Bei der sogenannten
Selbstverwaltung oder Militärhoheit der Contingentsherren handelt es sich lediglich
darum, daß das Reich es nicht gegen den einheitlichen Charakter des einem
Willen unterworfenen Heeres widersprechend ansieht und nur als Decoration be-
trachtet, wenn bei den sächsischen und württembergischen Truppen Officiere und
Unterofficiere durch die Könige von Sachsen und Württemberg für das Reich
ernannt werden, wenn die in der Sache preußischen Armeeverordnungen bei den
sächsischen und württembergischen Truppen äußerlich als sächsische und württem-
bergische erscheinen, und wenn die Geschäfte der Reichsmilitärverwaltung durch
sächsische und württembergische Behörden für das Reich abgeschlossen werden. Die
Ernennung der Officiere und Unterofficiere wie die Führung der Militärverwaltung
erfolgen in der Art, in der Höhe und unter den Bedingungen, wie sie das Reich
befiehlt. Die von den Landesherren ernannten Officiere und Unterofficiere haben
nicht den Königen von Sachsen und Württemberg, sondern dem Kaiser zu ge-
horchen, und die Truppen stehen nicht Sachsen und Württemberg, sondern dem
Reiche zur Verfügung. Wenn von der „Commandogewalt“ der deutschen Landes-
herren gesprochen wird, so trifft dies nur für den Fall zu, daß der Kaiser nicht
anders oder nicht selbst commandirt. Die Commandogewalt der Fürsten ist auch
insoweit eine beschränkte, als sie z. B. niemals gegen den Feind erfolgen darf.
Bezüglich der Reichsmarine bestimmt Art. 53 der Reichsverfassung, daß
sie eine einheitliche unter dem Oberbefehle des Kaisers ist. Sie ist aber
nicht bloß eine einheitliche, sondern überhaupt nur eine, und zwar eine un-
mittelbar dem Reiche gehörige und unmittelbar vom Reiche und von Reichsorganen
verwaltete Marine, eine Reichs= oder eine Kaiferliche Marine. Sie
untersteht nicht bloß dem Oberbefehle des Kaisers, sondern sie untersteht keinem
anderen Befehle. Ihre Organisation und Zusammensetzung, so fährt Art. 53 weiter
fort, liegen dem Kaiser ob. Der Kaiser und kein Landesherr in seinem oder des
Reiches Namen ernennt die Officiere und Beamten der Marine. Dem Kaiser wird
der Fahneneid geleistet.
Um sich den Unterschied zwischen dem Reichsheere und der Reichsmarine klar-
zumachen, stelle man sich vor, daß aus Rücksichtnahme auf den Großherzog von
Oldenburg diesem das Recht zugestanden würde, die Officiere und Beamten des
Jadehafens für das Reich zu ernennen, den Fahneneid derselben entgegenzunehmen
und die Zahlungen an diese wie für die sonstigen Ausgaben des Jadehafens durch
seine Behörden für Rechnung des Reiches machen zu lassen. Dadurch würde aber
der Großherzog noch keinen Theil der Kriegsmarine zu seiner Verfügung und unter
seinem Commando haben; dadurch würde die Marine nach wie vor eine einheitliche
Kriegsmarine bleiben. Denn für die Verwendung der Marine im Kriege wie im
Frieden würden diese Ehrenbefugnisse des Großherzogs so wenig ein Hinderniß