Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

466 Achtes Buch. Reichskriegswesen. 
diesem Sinne ein Befehl, der an die ganze Armee gerichtet wird, der vom Haupt- 
quartier oder vom Kaiser persönlich ausgeht. Die Bezeichnung, unter welcher der 
Befehl ergeht, ist unerheblich. Ob er sich als Befehl oder als Ordre oder als 
An-- oder Verordnung oder als Reglement oder als Vorschrift bezeichnet, ist gleich- 
gültig. Er erheischt in allen Fällen von den Untergebenen unbedingten Gehorsam. 
Der Marschbefehl, die Gestellungsordre, die Mobilmachungsordre, die Anordnung, 
Trauer anzulegen oder zu grüßen, diese oder jene Waffen oder Bekleidungsstücke zu 
tragen, ast Exercirreglements, die Schießvorschriften u. s. w. haben gleiche verbind- 
liche Kraft. 
Es ist gewiß, daß sich das Recht des kaiserlichen Befehls mit seinen Folgen 
des unbedingten Gehorsams schwer in das constitutionelle System einfügen läßt. 
Die unbedingte Verbindlichkeit der kaiserlichen Befehle war aber in der Absicht der 
Verfassung begründet. Die Reichsverfassung hat die in Uebung gestandene Praxis 
des preußischen Staates übernehmen wollen und übernommen, wie dies Art. 61, 
Abs. 1 der Reichsverfassung ausspricht. Es ist dabei gerade von den Gegnern 
dieser Verfassungsvorschrift hervorgehoben worden, so von Wigand in den Sten. 
Ber. des norddeutschen Reichstages 1867, S. 582, daß in Preußen auf mili- 
tärischem Gebiete Vorschriften thatsächlich bestehen, die dem constitutionellen 
System widersprechen, die eigentlich also nach der Ansicht Wigand's ungesetzlich 
sind. Trotzdem hat man die preußische Praxis auf militärischem Gebiete in toto 
recipirt 1, und damit ist auch die Cabinetsordre vom 18. Januar 1861, mag man 
sie an sich und ursprünglich für constitutionell oder unconstitutionell halten, geltendes 
Reichsrecht geworden. 
Der Kaiser kann seine Befehle auch in der Form erlassen, daß er, soweit nicht- 
preußische Truppentheile in Betracht kommen, deren Contingentsherren oder Truppen- 
befehlshaber um deren Erlaß ersucht oder ersuchen läßt. Hierzu ist er in gewissen 
Fällen verpflichtet (Art. 63, Abs. 5 der Reichsverfassung). Die Verpflichtung besteht 
nicht, sobald die Mobilmachung erfolgt ist. In diesem Falle befiehlt der Kaiser un- 
bedingt und unterschiedslos allen deutschen Truppen. In allen anderen Fällen befiehlt 
der Kaiser unmittelbar nur der Kriegsmarine, den elsaß-lothringischen Truppen im 
preußischen Heere und dem preußischen Heere. Er theilt sodann die Anordnung un- 
mittelbar oder durch Vermittelung des Ausschusses des Bundesraths für das Landheer 
und die Festungen den Commandeuren der übrigen, d. h. der sächsischen und 
württembergischen Contingente mit, welche diese Anordnung, formell als eine 
eigene, als eine nicht kaiserliche, unverzüglich ihren Truppen anzubefehlen haben. 
Da dies nur ein Akt äußerer Rücksichtnahme ist, so steht nichts entgegen, daß der 
Kaiser auch in Fällen, wo dieser Umweg nicht verfassungsmäßig vorgeschrieben oder 
sonst nicht nothwendig ist, seine Anordnungen mittelbar durch einen Dritten an- 
befehlen läßt. So kann der Kaiser hierbei Mecklenburg ebenso behandeln wie 
Württemberg und Sachsens, obwohl die mecklenburgischen Truppen keine Sonder- 
stellung rechtlich beanspruchen können. 
Es ist an dieser Stelle noch hervorzuheben, daß es in der Sache gleichgültig 
ist, ob die Befehle vom „Kaiser“ oder vom „Bundesfeldherrn“ oder vom „Könige 
von Preußen“ ausgehen“". 
2) „Der Höchstkommandirende eines Kontingents, sowie alle Offiziere, welche 
Truppen mehr als eines Kontingents befehligen, und alle Festungskommandanten 
werden von dem Kaiser ernannt. Die von Demselben ernannten Offiziere leisten 
Ihm den Fahneneid. Bei Generälen und den Generalstellungen versehenden Offi- 
zieren innerhalb des Kontingents ist die Ernennung von der jedesmaligen Zu- 
stimmung des Kaisers abhängig zu machen“ (Art. 64, Abf. 2 der Reichsverfassung). 
  
  
1 Vgl. auch Arndt, Verordnungsrecht, vom 22. März 1897. 
. 135. Twesten in den Sten. Ber. des 
2 Art. 63, Abs. 5 der Reichsverfassung und norddeutschen verfassungsberathenden Neichstages 
oben S. 462. 1867, S. 103, Arndt, Verordnungsrecht, S. 124. 
2 Vgl. die Anmerkung auf S. 3 der Extra-Anm. 7, oben S. 76f. 
nummer des Preuß. Armeeverordnungsbl. 1897 
S
	        
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