Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

8 47. Der Kaiser und das Heer. 471 
Sälsehne den mecklenburgischen Großherzogthümern kein Zugeständniß 
gemacht. 
In den Militärconventionen mit Schwarzburg-Sondershausen vom 
17. September 1873, mit Lippe-Detmold vom 14. September 1873, mit 
Schaumburg-Lippe vom 25. September 1873, mit Waldeck vom 6. August 
1867, mit Lübeck vom 27. Juni 1867, mit Hamburg vom 23. Juli 1867 
und mit Bremen vom 27. Juni 1867 ist vorgesehen, daß diese Staaten, um 
ihren Wehrpflichtigen die Ableistung der Dienstpflicht zu erleichtern, preußische 
Infanterie-Garnisonen erhalten, mit der Zusage, daß dieselben ihnen dauernd 
gucasaen werden sollen, soweit nicht militärische oder politische Interessen entgegen- 
stehen. 
6) Der Kaiser giebt den Ausschlag, wenn bei Gesetzesvorschlägen über das 
Militärwesen und die Kriegsmarine er sich für die Aufrechterhaltung der bestehenden 
Einrichtungen ausspricht (Art. 5, Abs. 2 der Reichsverfassung) 1. 
7) Ob dem Kaiser und event. in welchen Fällen zur Bestreitung des Auf- 
wandes für das gesammte deutsche Heer und die zu demselben gehörigen Einrich- 
tungen noch so vielmal 225 Thlr. jährlich zur Verfügung zu stellen sind, als die 
Kopfzahl des Heeres nach Art. 60 beträgt, soll später erörtert werden. 
8) „Der Kaiser kann, wenn die öffentliche Sicherheit in dem Bundesgebiete 
bedroht ist, einen jeden Theil desselben in Kriegszustand erklären. Bis zum Erlaß 
eines die Voraussetzungen, die Form der Verkündigung und die Wirkungen einer 
solchen Erklärung regelnden Reichsgesetzes gelten dafür die Vorschriften des Preußischen 
Gesetzes vom 4. Juni 1851“ (Art. 68 der Reichsversassung). 
Die erste Frage, die hier aufzuwerfen ist, betrifft die Voraussetzungen 
der Erklärung des Kriegszustandes. Die Verfassung spricht allgemein von dem 
Falle, „wenn die öffentliche Sicherheit bedroht ist“. Das preußische Gesetz, dessen 
Vorschriften bis zum Erlaß eines die Voraussetzungen regelnden Reichsgesetzes gelten 
sollen, läßt die Erklärung des Kriegszustandes zu „für den Fall eines Krieges in 
den von den Feinden bedrohten oder theilweise schon kaeesten Provinzen“, „zum 
Zwecke der Vertheidigung“ (§ 1) und „für den Fall eines Aufruhrs“ „bei dringender 
Gefahr für die öffentliche Sicherheit, sowohl in Kriegs= als in Friedenszeiten“. 
In der Sache kommen die Fassung des Art. 68 und die der §§ 1 und 2 des Ge- 
setzes vom 4. Juni 1851 auf dasselbe hinaus; denn diese Paragraphen bezeichnen 
die Fälle, in denen die öffentliche Sicherheit bedroht ist. Nach dem Wortlaut des 
zweiten Satzes in Art. 68 ist anzunehmen, daß für die Voraussetzungen der 
Erklärung des Kriegszustandes, d. h. für die Voraussetzungen der Annahme, daß 
die öffentliche Sicherheit im Sinne des Art. 68 bedroht ist, bis auf Weiteres das 
preußische Gesetz vom 4. Juni 1851 maßgebend ist?. 
„Für den Fall eines Krieges“ bedeutet nicht, daß der Kampf schon gegen- 
wärtig sein muß. In solchen Fällen gelten vielmehr an sich nur die militärischen 
Rücksichten, welche oft viel schonungslosere Eingriffe in Leben und Eigenthum be- 
dingen. Ist der Kampf gegenwärtig, so hat Alles sofort zu geschehen, was die 
militärische Rücksichtnahme gebietet; von Verkündigungen des Kriegszustandes, Ein- 
setzung besonderer Gerichte u. s. w. ist da nicht die Rede S. Es genügt für die Ver- 
hängung des Kriegszustandes die Besorgniß bezw. die Gefahr, daß der Krieg in 
das fragliche Gebiet getragen werden kann, und ebenso genügt die Gefahr, daß ein 
Aufruhr ausbrechen könne, um den Kriegszustand zu erklären“. 
Da der Kaiser einen „jeden Theil“ des Bundesgebiets in Kriegszustand 
  
1 Oben S. 96. S. 312. 
1 Ebenso Seydel, Comm., S. 379, LaS# Vogl. Sten. Ber. der I. preuß. Kammer 
band, II, S. 519, Hänel, Staatsrecht, IL.1850|'51, S. 166. 
S.434, während G. Meyer, Verwaltungerecht, * Der Antrag, den Belagerungszustand nur 
1, S. 191 ff., und in Hirth's Annalen 1880, „in den in Aufruhr befindlichen Orten 
S. 346, das preußische Gesetz für die „Voraus-soder Distrikten“ zu erklären, wurde in der 
setzungen“ als nicht verbindlich erachtet; siehe I. preuß. Kammer abgelehnt (Sten. Ber. 1850/51, 
J. 
indeß auch Sten. Ber. des Reichstages 1878, I, S. 17 
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.