484 Achtes Buch. Reichskriegswesen.
geführt. Solchergestalt sind die von den Landesregierungen mit Landesbeamten
besetzten Landesbehörden, soweit sie das Reichsheer verwalten, Reichsbehörden 1.
Der preußische Kriegsminister, der preußische Festungscommandant, die sächfische
Stadtcommandantur zu Dresden, das sächsische und das württembergische Kriegs-
zahlamt u. s. w. verpflichten innerhalb ihres Geschäftskreises vermögensrechtlich das
Deutsche Reich#. Der Umstand, daß der württembergische Kriegsminister vom
Könige von Württemberg ernannt wird, schließt so wenig seine Eigenschaft als
mittelbarer Reichsbeamter wie die als Inhaber eines Reichsamtes aus". Eine
andere Frage ist die, ob die Landeskriegsminister dem Bundesrathe und Reichstage
verantwortlich dafür find, daß sie die Reichsgesetze und den Reichsetat beobachten.
Die Antwort darauf ist die: verantwortlich ist dem Bundesrathe und dem Reichs-
tage nur der Reichskanzler, und dieser nur für Anordnungen und Verfügungen des
Kaisers (Art. 17 der Reichsverfassung), also nicht für Handlungen oder Unter-
lassungen eines Kriegsministers, Festungscommandanten, Regimentscommandeurs;
er ist dies aber auch nicht für Handlungen oder Unterlassungen der Kriegsmarine=
behörden, die Commandoangelegenheiten sind und nicht seiner Gegenzeichnung bedürfen!,
selbst wenn sie den Reichsetat belasten, wie Anstellungen, Pensionirungen und Ent-
lassungen von Marineofficieren, Einberufung von Marinemannschaften, Marine=
übungen, Expeditionen. Ganz gewiß kann aber im Bundesrathe wie im Reichs-
tage zur Sprache gebracht und monirt werden, wenn Kriegsmarine= oder Heer-
Verwaltungsbehörden Reichsgesetze, insbesondere das Etatsgesetz, verletzen. Der
Rechnungshof für das Deutsche Reich wird es moniren und die Entlastung ver-
weigern, wenn das Etatsgesetz, sei es durch den Chef der Admiralität oder den
commandirenden Admiral oder das preußische oder sächfische Kriegsministerium,
außer Acht gelassen wurde. Dem Reichskanzler find auch in Ansehung der
Rechnungslegung und Rechnungsführung die genannten Behörden nicht unterstellt.
Zwar hat der Reichskanzler gemäß Art. 72 der Reichsverfassung dem Bundesrath
und dem Reichstage über die Verwendung aller Einnahmen des Reiches zur Ent-
lastung Rechnung zu legen; verantwortlich ist er indeß für diejenigen Verwendungen
nicht, welche Militärbehörden vorgenommen haben. Es ist daher nicht zutreffend
und folgt nicht aus den Art. 72 und 17 der Reichsverfassung, daß die Heeres-
verwaltungen, die Kriegsmarine und die Landeskriegsminister verpflichtet find, dem
Reichskanzler Rechnung zu legen, und daß sie zu allen Abweichungen von den An-
sätzen des Etats die Genehmigung des Reichskanzlers einholen müssen #. Sie haben
vielmehr nicht ihm Rechnung zu legen, sondern nur durch ihn dem Bundesrath
und dem Reichstage. Der Reichskanzler ist lediglich Vermittler, nicht über-
geordnet; daher find justificirende Cabinetsordres auf militärischem Gebiete auch
nicht durch den Reichskanzler gegenzuzeichnen 7. Demgemäß find die Kriegsministerien
als dem Reichskanzler gleichstehende oberste Reichsbehörden im kaiserlichen Verzeichniß
an November 1874 unter Gegenzeichnung des Reichskanzlers mit Recht auf-
geführt.
Bundesrath und Reichstag können die Entlastung zwar vorenthalten, wenn
die Marine= oder Heeresverwaltungen das Etatsgesetz verletzen, unmittelbare
Befehle können sie diesen Behörden nicht ertheilen. Indeß hat das Reich das Recht
der Aufsicht (Art. 4 und 17 der Reichsverfassung). Es ist aber nicht, wenigstens
nicht im Allgemeinen, zutreffend 8, daß hierüber die allgemeinen Grundsätze über
die Reichsaufsicht gelten. Die allgemeinen Grundsätze kommen nämlich in Wegfall,
soweit es sich um die Vollzähligkeit und Kriegstüchtigkeit der Truppentheile, um
1 Vgl. hierzu Laband, II, S. 540, Hänel, und umgekehrt. Sie ist Behörde desjenigen
Staatzrecht, I. S. 524, G. Neee Verwaltungs- Staates, dessen Geschäte fie jeweilig führt.
recht, II, . 41, 2 ckhaus, S. 127. 5 Siehe oben S. 364.
2 * des Reichsger. in Eivils, Bd. XX, * Ansicht von Sakunkh II, S. 551, und
S. 150, gc u# des eichekanzbes im Archiv Zorn, II, S. 55 m. 30.
für bffentl Recht, Bd. II, S. 17 Vgl. Bericht % Noer nungskommission des
25# Val. Laband, II, S Recchstages 1889/90, Nr. l und oben S. 425f.
* Es kann z. B. eine Srichebehorte auch 8 Laband, II, S. 54
specifisch preußische Verwaltungsgeschäfte führen