§ 48. Die Bundesstaaten und das Heer u. s. w. 485
Bewaffnung, Ausrüstung, die Qualification der Officiere und um andere in den
Absätzen 3 und 4 des Art. 63 der Reichsverfassung angeführte Gegenstände handelt.
Während sonst der Bundesrath die letzte Entscheidung hat 1, steht die Entscheidung in
diesen Fällen nach Art. 63 endgültig dem Kaiser zu. Allerdings wird sich der Kaiser
an die Ansätze des Etats halten müssen, jedoch giebt es keine Instanz, die ihm Be-
schränkungen auferlegen kann. Bundesrath und Reichstag besitzen kein anderes ver-
fassungsmäßiges Recht, um Verletzungen des Etatsgesetzes durch den Kaiser zu be-
gegnen, als die Verweigerung der Entlastung.
Die Bundesfürsten „find Chefs aller ihren Gebieten angehörenden Truppentheile
und genießen die damit verbundenen Ehren“ (Reichsverfassung Art. 66, Abs. 1, Satz 2).
Dieser Satz gilt nicht bloß rücksichtlich ihrer eigenen Truppen, sondern auch rück-
sichtlich fremder, in ihrem Staate dislocirter Truppen. Er gilt auch noch rück-
sichtlich derjenigen Fürsten, welche ihre Truppen dem preußischen Contingent ver-
tragsmäßig übergeben haben. In der Sache drückt der Satz im Wesentlichen nur
eine Ehrenstellung aus. Auch ausländische Fürsten und Fürstinnen, selbst
Privatpersonen fsind „Chefs“ von Regimentern. Es gebühren ihnen die mit dieser
Stellung verbundenen Ehren. Militärische Befehle hat aber der „Chef“
nicht zu ertheilen. Wenn das Reich z. B. mit Rußland Krieg führt, wird
das den russischen Czaren als Chef habende Kaiser Alexander= Garde-Grenadier-
Regiment wie jedes andere preußische und deutsche Regiment auch gegen Rußland
marschiren. In den Militärconventionen ist die Stellung als Chef meist noch dahin
erhöht, daß die Bundesfürsten die Stellung eines commandirenden Generals haben.
Auch dies drückt nicht eine selbstständige Gewalt, sondern eine äußere Ehrung,
deren Grad, sowie die Competenz z. B. bei der Verhängung von Disciplinarstrafen,
aus. Die Verfassung trägt den Inhalt dieser Ehrenstellung selbst im Wesentlichen
vor: „Sie haben namentlich das Recht der Inspizirung zu jeder Zeit und erhalten,
außer den regelmäßigen Rapporten und Meldungen über vorkommende Ver-
änderungen, Behufs der nöthigen landesherrlichen Publikation, rechtzeitige Mit-
theilung von den die betreffenden Truppentheile berührenden Avancements und
Ernennungen.“ Sie können auch fordern, was in den Conventionen besonders
ausgesprochen wird, daß bei ihnen und ihren Familienangehörigen Ehrenposten
stehen. In den Hansestädten werden nach Anweisung der Senate Ehrenposten
ausgestellt. Es gebührt den Bundesfürsten der einem Chef zukommende militärische
Ehrengruß. In den Conventionen wird auch meist bestimmt, daß dieser auch
den Familienangehörigen der Landesherren erwiesen wird, in den Hansestädten den
Senatsmitgliedern. Die Landesherren haben auch eine — aber keine ausschließ-
liche — Disciplinarstrafgewalt. Sie können Disciplinarstrafen meist in der Höhe
wie ein commandirender General verhängen, wenn z. B. ihnen der militärische
Ehrengruß nicht erwiesen ist. In der Sache selbst heißen sie Chefs, find aber nicht
Chefs der ihren Gebieten angehörenden Truppentheile. Sie können Ordres, Strafen
und dergl. der Truppenbefehlshaber nicht aufheben.
Es ist auch nicht viel mehr als eine Ehrung, wenn in verschiedenen Militär-
conventionen, so mit Hessen, Art. 9 und Schlußprotokoll Art. 12, Mecklen-
burg, Art. 11 und 12, Baden, Art. 6 und Schlußprotokoll Art. 3, Olden-
burg, den thüringischen Staaten, Anhalt, beiden Lippe, beiden
Schwarzburg, Waldeck und Braunschweig, ihnen eingeräumt wird, daß
sie Officiere à la suite ernennen dürfen, ohne dadurch irgendwie die Reichskasse zu
belasten, und daß sie die Abcommandirung von Officieren als Adjutanten für sich
und die Prinzen ihres Hauses fordern können. Die Officiere à la suite wie die
abcommandirten Adjutanten haben im Ernstfalle dem Kaiser zu gehorchen.
Der zweite Absatz in Art. 66 fährt dann fort: „Auch steht ihnen (den
Bundesfürsten) das Recht zu, zu polizeilichen Zwecken nicht blos ihre eigenen
Truppen zu verwenden, sondern auch alle anderen Truppentheile des Reichsheeres,
welche in ihren Ländergebieten dislocirt sind, zu requiriren.“ Sie können daher
1 Art. 7, Ziff. 3 der Reichsverfassung, oben § 18.