Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

* 48. Die Bundesstasten und das Heer u. s. w. 487 
zu ernennen und zu befördern. Findet der Kaiser bei der Inspection, daß die 
Officiere ihm nicht qualifteirt erscheinen (Reichsverfassung Art. 63, Abf. 3), so kann 
er deren Entlassung fordern und eventuell anordnen 1. Dem Kaiser schulden und 
geloben die Officiere endlich unbedingten Gehorsam. 
Die Mannschaften leisten den Fahneneid ihren Landesherren. Da fie darin 
die Verpflichtung übernehmen, den Befehlen des Kaisers unbedingte Folge zu leisten, 
so kann auch hierin kein Moment erblickt werden, das vom militärischen Gesichts- 
punkte über den Begriff einer Ehrung hinausgeht. Die Reichsverfassung geht von 
der nie mehr zu erschütternden Bundestreue der deutschen Fürsten aus, davon nämlich, 
daß der Gehorsam gegenüber dem Landesherrn und der dem Kaiser gegenüber zu- 
sammenfallen. Der Soldat befolgt seinen Fahneneid, wenn er dem Kaiser gehorcht. 
Indem der Soldat unmittelbar seinem Landesherrn schwört, schwört er mittelbar 
seinem Kaiser. In dem Eide, den er dem Landesherrn ableistet, liegt kein Hinderniß, 
daß er unbedingt seinem Kaiser selbst gegen seinen Landesherrn gehorcht. 
Wir kommen nun zu den Militärconventionen. Es find dies Ver- 
träge über Gegenstände militärischer Art. Die Bundesstaaten haben alle Rechte 
bewahrt, die ihnen durch die Reichsverfassung nicht entzogen sind. Sie können 
daher noch Verträge schließen. Daß Art. 66 der Reichsverfassung auf Militär- 
conventionen Bezug nimmt, giebt den Bundesstaaten nicht erst das Vertragsrecht?, 
sondern erkennt es nur an. Selbstredend kann kein Bundesstaat einfseitig die Ver- 
fassung ändern; dies kann auch der Kaiser nicht. Folglich sind die Militärconven= 
tionen nur so weit gültig, wie fie sich im Rahmen der Verfassung halten. Vorschriften 
einer Convention, welche die allgemeine Wehrpflicht (Reichsverfassung Art. 59) oder 
die Pflicht aller Truppen zum unbedingten Gehorsam gegen den Kaiser (Art. 64) oder 
die Vorschrift in Art. 67 aufheben würden, müßten als nichtig gelten. Es ist 
gleich, ob die Verträge vom „Kaiser"“ oder vom „Bundesfeldherrn“ oder vom 
„Könige von Preußen“ abgeschlossen find, da dies gleichbedeutende Ausdrücke 
find". Die Reichsverfassung hindert die Bundesstaaten nicht, ihre volle Souve- 
ränetät oder Theile ihrer Souveränetät aufzugeben?; fie bildet also auch kein 
Hinderniß, wenn die Bundesstaaten ihnen vorbehaltene militärische Rechte, z. B. 
das der Ernennung ihrer Officiere, dem Kaiser abtreten, und dies um so weniger, 
weil solche Abtretungen theilweise schon vor der Verfassung des Norddeutschen 
Bundes bestanden haben und weil auch ferner die Reichsverfassung (Art. 66) auf 
einen solchen Verzicht besonders hinweist. 
Die Militärconventionen enthalten auf der anderen Seite vertragsmäßige Zu- 
geständnisse des Kaisers. Diese sind nicht bloß moralisch ##, sondern auch juristisch 
bindend, soweit der Kaiser sich binden kann, und er kann dies, wo kein zwingender 
Satz der Verfassung entgegensteht 7. Die Reichsverfassung verbietet dem Kaiser 
nicht, Garnisonen in einem Bundesstaate zu bestimmen oder den Ersatz eines 
Truppentheils aus einem bestimmten Bundesstaat zu entnehmen (Art. 63, AbsK. 2 
der Reichsverfassung). Abmachungen über Garnisonirungen und Truppenersatz fallen 
mithin unter die Verfügungsbefugniß des Kaisers und stellen keine bloß wider- 
ruflichen Versprechen, sondern bindende Abmachungen dar. Hierbei ist voraus- 
gesetzt, daß es sich um Friedensverhältnisse handelt. Eine Abmachung, 
deutsche Truppentheile auch für Kriegsfälle in bestimmten Garnisonen zu halten 
oder zu verwenden, wäre verfassungswidrig; das Heer, von dem Theile im Kriege 
nicht unbedingt und überall „zu Wasser und zu Lande“ nach dem Befehle des 
Kaisers verwendet werden dürfen, ist kein „einheitliches Heer“, welches im Kriege 
und im Frieden unter dem Befehle des Kaisers steht (Art. 68, Abs. 1). Ab- 
machungen, welche dem Geiste und dem Wortlaute nach zwingenden Normen der 
  
  
  
  
1 Siehe auch oben S. 468 f. 4 Anderer Ansicht u. A. Laband, II, S. 504, 
2 Ansicht von H. Schulze, Reichsstaatss Brockhaus, S. 164. 
recht, II. S. 269, G. Meyer, Verwaltungs 5 Siehe oben S. 42, 73; anderer Ansicht an- 
recht, II, S. 44, Hänel, Staatsrecht, 1, S. 244 ff. scheinend Zorn, Staatsr., II, S. 530, Anm. 36. 
u. A. m. * Zorn, Staatsrecht, II. S. 531. 
:* Ebenso Seydel, Comm., S. 375, La- 7 Ebenso Laband, 1I, S. 506, Seydel, 
band, II, S. 502. Comm., S. 376.
	        
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